Im Reich der Oligarchen und Separatisten

Werbung
Werbung
Werbung

In den Städten der Ostukraine hoffen viele Bürger trotz des Abspaltungsreferendums auf einen Verbleib der Provinzen bei der Ukraine. Doch das Sagen haben andere.

So viele Polizisten hat Donezk in den vergangenen Wochen nicht gesehen. An jeder Straßenecke stehen sie, geleiten die Fußgänger über die Straße, verfolgen die Autofahrer mit ihren Blicken. Sonst sind in diesen unruhigen Tagen kaum Sicherheitskräfte in der Stadt zu sehen. Prorussische Aktivisten haben im Donezker Gebiet die Macht übernommen, und die Polizei hat sich ihnen untergeordnet, heimlich, still und leise. Nur an diesem Abend ist sie wieder sichtbar, denn heute findet ein wichtiges Fußballspiel statt. Ruhig und friedlich soll es sein, so wie immer. So will es Oligarch Rinat Achmetow, der Präsident des heimischen Clubs.

In der Donbass-Arena sind an diesem Abend längst nicht alle der gut 50.000 Plätze besetzt. FC Schachtjor spielt gegen eine Mannschaft aus der Region. Es geht um den Ukraine-Cup.

Alexander, ein Mittdreißiger, sitzt auf seinem Abonnementsplatz und kaut Sonnenblumenkerne. Er ist mit einem Freund gekommen. Alexander ist kräftig gebaut, er trägt Jeans und eine Sportjacke, auf dem Kopf eine Schachtjor-Kappe und um den Hals einen Fanschal. Dem Spiel folgt er mit halber Konzentration, Schachtjor liegt in Führung, es sieht gut aus. Die Gegner können es nicht mit den Donezkern aufnehmen, mit einem Team, in dem fast nur Legionäre aus dem Ausland spielen. Als Schachtjor auf 3:1 erhöht, jubelt das Stadion. Alexander jauchzt kurz auf.

Zwischen Ukraine und Donbass

Alexander ist Bergarbeiter, wie so viele Männer in der Region. Seit 21 Jahren fährt er hinab ins Dunkel, vier Jahre sind es noch bis zur Pensionierung. "Derzeit ist es oberhalb der Erde gefährlicher als unterhalb“, scherzt er. Was in der Region vor sich geht, findet er beunruhigend. Am Sonntag hatten Angaben der selbsternannten Wahlkommission zufolge fast 90 Prozent der Donezker für die Unabhängigkeit von der Ukraine gestimmt. Er dagegen sei für den Verbleib des Donbass in der Ukraine, für die Einheit des Landes, wie sie derzeit überall im ukrainischen Fernsehen beworben wird, sagt Alexander.

"Aber“, sagt er, "wir haben uns nicht viel zu sagen: Die im Westen denken, wir seien Banditen. Und wir nennen die Westukrainer Banderowzy.“ (Name abgleitet vom Nazikollaborateur Steophan Bandera, siehe auch Story links) Und damit auch gegen Alexanders Großvater. Alexander ist wie fast alle hier bis heute stolz auf den sowjetischen Sieg über Hitler.

Alexander hofft, dass sich trotz der bürgerkriegsähnlichen Zustände in den Gebieten Donezk und Luhansk noch alle Seiten zusammenraufen werden.

Einer ist immer da, egal was passiert. Alexander zeigt mit seiner Hand nach links, Richtung VIP-Lounge. "Dort oben sitzt er“, sagt er und zeigt auf den blonden Haarschopf von Clubpräsident Rinat Achmetow. Dieser ist mit mehr als acht Milliarden Euro geschätztem Vermögen der reichste Ukrainer. Ihm gehören der Mischkonzern System Capital Management, der FC Schachtjor und die Donbass Arena. Manche nennen ihn den wahren Herren über den Donbass.

Achmetow hat bei der Frage um die Zukunft der Region ein Wörtchen mitzureden. Manche behaupten, dass er die Aktivisten der Donezker Volksrepublik finanziere. Andere bezweifeln, das. In Putins Russland könnte es für ihn als Oligarchen gefährlich werden. In der Ukraine hat er bislang über andere Einfluss ausüben lassen: Achmetow war der langjährige Förderer von Expräsident Viktor Janukowitsch, bis dieser Ende Februar die Flucht ergriff, als er seine Macht zu verlieren drohte.

Janukowitschs Partei der Regionen ist seither wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. In der Ostukraine war die Partei jahrelang für die Mehrheit der Wähler die einzige Option. Die Lücke haben nun die Separatisten gefüllt, die in Militäruniformen und Waffen aufmarschiert sind. Das Referendum über die staatliche Eigenständigkeit war für viele Bürger eine Protestwahl gegen Kiew. "Kiew darf uns nicht länger ignorieren“, sagten viele Bürger vor den Wahllokalen. Doch die separatistische Führung um Denis Puschilin verlangt nun den Anschluss an Russland - obwohl diese radikale Forderung Umfragen zufolge keine Mehrheit in der Bevölkerung des Donbass findet.

Präsidentenwahlen, aber wo?

Die ukrainischen Präsidentenwahlen am 25. Mai könnten das Abdriften des Ostens stoppen. Doch es ist immer weniger wahrscheinlich, dass sie hier überhaupt stattfinden. Separatistenführer Puschilin hatte angekündigt, er wolle die Wahl im Bezirk Donezk verhindern. Tatsächlich gibt es keinen Wahlkampf, die Kandidaten wagen sich nicht in die Region aus Angst vor Störaktionen. Nur ein paar versprengte Plakate hängen an den Straßen. Keines davon zeigt die Kandidaten der neuen Kiewer Regierung wie Julia Timoschenko oder Petro Poroschenko. Nur die Vertreter aus dem früheren Umfeld von Janukowitsch trauen sich ihre Kandidatur zu bewerben: Sergej Tigipko, früheres Mitglied der Partei der Regionen, wirbt für Stabilität.

Michail Dobkin, Kandidat der Regionen-Partei, möchte ein "einiges Land“. Doch selbst die "Regionalen“ sind dieser Tage nicht gerne gesehen. Da hilft es auch wenig, dass sie auf den Föderalismus-Zug aufzuspringen versuchen, wie etwa Nikolaj Lewtschenko, Parteichef von Donezk, der im Gespräch mit Wählern erklärt: "Wir und die Separatisten haben die gleichen Ziele: finanzielle Unabhängigkeit von Kiew, das Recht auf die russische Sprache. Wir wollen das ohne Blutvergießen erreichen.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung