Sorgenreiche Oligarchen

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Seit jeher mischen die Oligarchen in der ukrainischen Politik mit. Kein Wunder also, dass sie sich nun auch im Richtungsstreit zwischen Präsident Janukowitsch und der Opposition zu Wort melden. Mithilfe ihrer Macht wollen die Milliardäre ihren Besitz schützen.

Sie herrschen über gigantische Stahlwerke und riesige Geflügelfarmen - doch je länger der erbitterte Machtkampf in der Ukraine dauert, desto nervöser werden auch die Wirtschaftsbosse. Denn die politische Unsicherheit in der früheren Sowjetrepublik treibt die Zinsen für ausländische Kredite in die Höhe, die Landeswährung Grywnja geht auf Talfahrt. Offen droht etwa der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit Sanktionen - ein Weckruf auch für die Oligarchen, deren Bewegungsfreiheit in den beliebten europäischen Luxuskurorten eingeschränkt werden könnte.

Nicht zuletzt deswegen drängen die Superreichen Präsident Janukowitsch zu einer friedlichen und raschen Lösung des Konflikts. Helfen könnte auch ein angedachtes Finanzpaket der EU.

Vielfältigste Verbindungen

Die engen Verbindungen der Konzernlenker mit Janukowitsch und dessen Umfeld, dem Oppositionspolitiker Vitali Klitschko schamlose Bereicherung vorwirft, sind ein offenes Geheimnis in der Ukraine. Die Unternehmer sollen den Staatschef, der wie die meisten Oligarchen aus dem industriell geprägten Osten des Landes stammt, vor seiner Wahl 2010 unterstützt haben. Auch deshalb gilt ihr Wort noch immer viel.

Dafür stehen Dmitri Firtasch, reich dank Gas und Düngemitteln, und besonders der reichste Ukrainer Rinat Achmetow. Ihnen sollen 78 der 204 Abgeordneten der Regierungsfraktion folgen, heißt es in Kiew. Achmetow, dessen vom US-Journal Forbes auf 15 Milliarden US-Dollar (11,1 Milliarden Euro) geschätzter Reichtum auf Kohle und Stahl beruht, gilt als Triebfeder hinter Janukowitschs Aufstieg. Beide Geschäftsmänner haben seit 2010 hervorragende Deals abgeschlossen.

Schrecken der Gewalt

Aber spätestens die tödlichen Schüsse bei den Anti-Regierungs-Protesten - insgesamt kamen mindestens vier Menschen ums Leben - haben die Wirtschaftsbosse mächtig aufgeschreckt. Angeblich trafen sich mehrere Milliardäre Ende Jänner in einem Kiewer Luxushotel. Gerüchte von einem "Aufstand der Oligarchen“ machten die Runde. Achmetows SCM-Gruppe warnte vor einem wirtschaftlichen Kollaps des ohnehin nahezu bankrotten Landes. Noch am selben Abend bot Janukowitsch der Opposition eine Regierungsbeteiligung an - die sie schroff ablehnte.

Wie eng Wirtschaft und Politik in der Ukraine verbunden sind, zeigt etwa das Beispiel Sergej Tigipko. Der Ex-Vizeregierungschef und Milliardär, der für die Regierungspartei im Parlament sitzt, warnt vor einem Ausnahmezustand und lobt den Rücktritt von Ministerpräsident Nikolai Asarow als folgerichtig. Schon wird gemutmaßt, Tigipko könnte Asarows Nachfolger werden - als Kompromisskandidat.

Auf der Gegenseite bringt sich der frühere Außenminister Pjotr (Petro) Poroschenko in Stellung. Als Russland im Richtungsstreit mit der EU mit einem Boykott ukrainischer Waren Druck machte, traf das vor allem dessen Schokoladenkonzern Roshen. Nun finanziert der Süßwarenhersteller und Medienmagnat offen die Proteste auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Andere "bisnesmeny“ sollen die monatelangen Demonstrationen zudem heimlich unterstützen.

Versuche der Medienkontrolle

Bereits bei der Orangenen Revolution von 2004 sorgte Poroschenkos Fernsehsender 5. Kanal für die mediale Begleitung. Jetzt ist der fraktionslose Abgeordnete einer der führenden Köpfe der Demonstranten. Gemeinsam mit Ex-Boxweltmeister Klitschko und Ex-Parlamentschef Arseni Jazenjuk führte er jüngst am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz Gespräche mit internationalen Spitzenpolitikern.

Zwar versucht Medien zufolge das Janukowitsch-Umfeld - landesweit auch als "Familie“ bekannt - über den Jungunternehmer Sergej Kurtschenko die Kontrolle über die Presselandschaft zu erlangen. Doch dem Medienimperium des erst 28-Jährigen mangelt es an einflussreichen TV-Sendern und Internetseiten. Die gehören anderen Milliardären. Deren gute Beziehungen zu beiden Lagern könnten als eine Art Lebensversicherung wirken - falls die Revolution tatsächlich siegt.

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