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III. Die Grundlagen des Arbeitsvertrages

Überlegungen über die rechtliche Natur des Arbeitsverhältnisses werden gern als rein akademisch abgetan. Man befaßt sich viel lieber mit Spezialfragen des Arbeitsrechtes. Diese Haltung erweist sich aber sofort als bedenklich, wenn wir überlegen, daß jede rechtliche Einzelbestimmunig auf einem dem Gesetzeswerk zugrunde liegenden Wesenskern aufbaut und daher auch entsprechend den Grundtendenzen in der Praxis angewendet und ausgelegt wird. So wird etwa bei dem Verdacht eines Vertrauensmißbrauchs zu untersuchen sein, ob hier ein schuldrechtliches oder ein personenrechtliches Verhältnis zugrunde liegt, da sich darnach der Umfang der Treuepflicht richten wird.

Schuldrechtliche Elemente

Betrachten wir die Entwicklung unseres Arbeitsrechtes, so finden wir in ihm drei grundverschiedene Tendenzen vereint. Aus dem römischen Recht leitet sich die Anschauung ab, daß auch die Arbeitskraft des Menschen eine Ware darstellt, die auf dem Arbeitsmarkt vermietet wird. Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen sich nach dieser Auffassung als Kontrahenten eines Mietvertrages und somit als Gläubiger und Schuldner gegenüber. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zur Arbeitsleistung und der Arbeitgeber zur Entgeltzahlung. Diese Konzeption übernahm der alte Liberalismus. An Hand der praktischen Auswirkungen zeigte es sich jedoch bald, daß das Arbeitsverhältnis auf Grund der gegebenen wirtschaftlichen und sozialen Gesamtsituation dieser Anschauung nicht gerecht werden konnte. Es kam zu den sattsam bekannten Auswüchsen der frühindustriellen Ära, zu Karl Marx und zur Ideologie des Klassenkampfes.

Personenrechtliche Umstände

In diesem Stadium erinnerte sich die Sozialethik der alten deutschrecht- HeW Würielh des '-'Ärfettelt- nisses. Hier war der Gedanke pier jJienstmiėte : nicht ausgeprägt.,o hier fußte die Arbeitsleistung auf einem personenrechtlichen Gemeinschaftsver hältnis. Ausgangspunkt war das Wesen der Gefolgschaft. Der Gefolgsmann stellte sich unter den Gefolgsherrn, der für persönlichen Schutz, Unterhalt und Vertretung, ja vielfach auch für die Aufnahme des Gefolgsmannes in den Familienverband sorgte. Dieser dagegen verpflichtete sich zur Treue und in weiterer Folge auch zu Dienstleistungen. Die Dienstleistung stand aber keinesfalls im Vordergrund des Verhältnisses. In der späteren Rechtsentwicklung vollzog sich dann aber ein Übergang zu einer schuldrechtlichen Betrachtungsweise.

Zu Beginn unseres Jahrhunderts stattete man den Arbeitsvertrag wieder mit verschiedenen personenrechtlichen Elementen aus. Aus der besonderen Natur des Arbeitsverhältnisses, das die ganze Person des Arbeitnehmers umfaßt, folgerte man, daß dem Arbeitgeber eine gewisse Fürsorgepflicht obliege, der aber auf Seiten des Arbeitnehmers eine besondere Treueverpflichtung gegenüberstehen müsse. Der Charakter des Arbeitsvertrages erfuhr daher eine wesentliche Änderung in Richtung Personenrecht.

Es wäre aber verfehlt, im Arbeitsvertrag nur ein Personenrechtsverhältnis zu erblicken. Nach wie vor beabsichtigt der Arbeitnehmer nicht, zu seinem Arbeitgeber in ein besonderes persönliches Naheverhältnis zu treten, wie dies bei der Gefolgschaft der Fall war. Sein Ziel ist es, einen Beruf zu finden, der ihm' entsprechendes Einkommen vermittelt und seinen arbeitsmäßigen Wünschen entgegenkommt. Anderseits ist aber auch der Arbeitgeber nur daran interessiert, einen guten Mitarbeiter zu besitzen, nicht aber eine über das Arbeitsverhältnis hinausgehende persönliche Bindung einzugehen. Der heutige Arbeiter lehnt jedes patriarchalische Gefolgschaftssystem ab. Es wäre daher ebenso verfehlt, den personenrechtlichen Charakter des Arbeitsverhältnisses überzubetonen, wie ihn zu ignorieren. Im Vordergrund der beider-

. leistung gegen Entgelt, dem. dann als unabd(tfįįtafe’,’NAenW'rfIkhttmgen die Treue-, Gehorsams- und Fürsorgepflicht folgen.

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