"Mikrokredite werden in der Krise noch wichtiger"

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* Interview: Oliver Tanzer

Oikocredit entstand 1975 als ökumenische Entwicklungsgenossenschaft der Kirchen. Heute ist das Institut einer der weltweit größten Mikrokreditbanken. Geringe Summen werden dabei den ärmsten Menschen zur Verfügung gestellt. Das System ist jenes des Nobelpreisträgers Muhammad Yunus und seiner Grameen-Bank.

Die Furche: Sie haben derzeit als eine der wenigen Banken eine positive Bilanz auszuweisen. Wie lange sind Mikrokredite noch krisenfest?

Peter Püspök: Ich bin relativ optimistisch, weil unsere Kreditnehmer nicht wirklich voll im Kreislauf der Weltwirtschaft eingebunden sind. Da geht es eben etwa um den Ankauf einer Kuh, um in der Umgebung die Milch zu verkaufen, oder um den Erwerb eines Marktstandes, um Obst und Gemüse zu verkaufen. Das sind Dinge, die keinen Spekulationscharakter haben, dafür einen sehr bodenständigen Realwirtschaftsbezug. Daher glauben wir, dass unsere Kredite von der Krise unberührt bleiben.

Die Furche: Aber schlägt nicht gerade die Krise auf die Realwirtschaft durch?

Püspök: Natürlich hat die Krise Auswirkungen, weil das Armutsniveau steigen wird. Das ist aber umgekehrt auch eine zusätzliche Möglichkeit für den Einsatz von Mikrokrediten. Das System wird in den kommenden Jahren also noch wichtiger werden.

Die Furche: Dazu brauchen Sie zunächst Investoren in Europa, die mindestens 200 Euro auf ihre Bank einzahlen. Sie haben derzeit in Österreich 1100 Kunden.

Püspök: Wir sehen trotzdem, dass die Anleger uns schätzen, sonst hätten wir nicht Wachstumsraten von 20 Prozent. Zunächst ist da das überzeugende Rezept der Mikrokredite: Nämlich dass mit einem geringen Einsatz wirklich geholfen werden kann. Mit 1000 Euro können sie zehn Familien eine neue Existenz geben. Zusätzlich ist es gut, dass wir in der Krise berichten können, nicht die Probleme anderer Banken zu haben.

Die Furche: Demnach müssten Sie froh sein, bei Oikocredit und nicht mehr bei der Raiffeisen zu sein.

Püspök: Ich sehe das nicht so. Ich freue mich, hier zu sein, und habe mich im letzten Jahr wirklich identifizieren können mit dieser Idee. Und das System ist einfach nicht zu vergleichen. Ich würde gerne meinen Kollegen noch da oder dort mit Rat und Tat helfen, aber diese Periode ist abgeschlossen.

Die Furche: Sie haben das System der rücksichtslosen Maximierung dem solidarischen System gegenübergestellt. Welchen Platz nimmt Raiffeisen da ein?

Püspök: Da muss man schon sehr differenzieren. Muhammad Yunus ist eigentlich ein moderner Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der den Solidargedanken Raiffeisens Mitte des 19. Jahrhunderts zugrunde legte. Ich meine auch, dass das viel kritisierte Ostengagement ein absoluter Segen auch für diese Länder war und Raiffeisen wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Situation in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich sein konnte. Es ist Raiffeisen genauso wie den anderen Banken gegangen: Wenn man als Schnellboot agieren muss, geht man bald unter, wenn man sich mit allem möglichen Rettungszeug ausstattet. Aus heutiger Sicht sieht das natürlich anders aus.

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