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Brüssel diktiert die Bedingungen für Projekte

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Ernüchterung herrscht über den EU-Beitritt. Bernd Kellermann, Geschäftsführer der Austrian Association and Co-Operation (adc), sieht wenig Chancen, von den 1,7 Milliarden Schilling Entwicklungshilfegelder, die Österreich jährlich an Brüssel überweisen muß, nennenswerte Gelder für von Österreich organisiert Projekte zu bekommen.

Nichtstaatliche Organisationen (NGO‘s) müssen fünfzehn Prozent der Projektgelder durch Eigenmittel, also durch Spender, aufbringen. Die meisten österreichischen Entwick-lungshilfeorganisationen beziehen aber ihre Projektgelder fast ausschließlich vom Staat, sind daher für die EU keine NGO‘s und werden kein Geld bekommen. Nur die kirchlichen Organisationen sammeln Spendengelder. Die größte kirchliche Organisation, der Österreichischen Entwicklungshilfedienst (ÖED), finanziert seine Entsendung von Entwicklungshelfern zwar zu dreißig Prozent aus Spendengeldem, die EŪ aber, so ÖED-Geschäftsführer Hermann Schaller, zahle nur für Programme, aber nicht für Personalentsendungen.

Firmen, die an Spezialprogrammen der EU teilnehmen wollen, müssen, so Kellermann, mindestens sechs Experten auf genau diesem Gebiet vorweisen. Da gäbe es wenig Hoffnung auf Geld: „Ich wüßte nicht, welche NGO besondere Exper tisen hätte“. Firmen, die Ent- wicklungshilfeproj ekte durchführen, gibt es in Österreich nur wenige, die meisten davon seien zu klein. Kellermann befürchtet, daß größere deutsche Firmen Scheinpartnerschaften mit österreichischen Firmen eingehen, um an österreichische Entwicklungshilfegelder heranzukommen.

Ob das Abliefern von Geld an die EU die Qualität österreichischer Entwicklungshilfe verbessert, muß sich erst zeigen. Erfahrungen mit der Weltbank, an die Österreich in den vergangenen Jahren seine Beiträge erhöht hat, lassen wenig Gutes erwarten. In diesem Sommer feierte die Weltbank ihr fünzigjähriges Jubiläum und mußte von den NGO‘s viel Kritik hinnehmen. Interne Be richte stellen der Weltbank kein gutes Zeugnis aus. Fast vierzig Prozent der Weltbankprojekte seien Problemprojekte, und in den nächsten Jahren liefen zwei Millionen Menschen Gefahr, für von der Weltbank finanzierte Wasserkraftwerke gewaltsam vertrieben zu werden. Herbert Schaller weiß zu berichten, daß in Mittelamerika die Regierungen wegen des von der Weltbank verordneten Sparkurses, gerade im Ge- sundheits- und Sozialbereich sparen. Vom ÖED aufgebaute Gesundheitszentren, so wird befürchtet, würden nicht mehr genug Geld von der Regierung für den Betrieb bekommen. Was bilaterale Entwicklungshilfe aufbaut, kann so von der multilateralen wieder zerstört werden.

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