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Der lieblose Umgang mit dem Kulturauftrag

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Inwieweit kommt der ORF seinem vielzitierten, aber nicht sehr präzise formulierten „Kulturauftrag“ nach? Darüber sprach die FURCHE mit Milo Dor.

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Inwieweit kommt der ORF seinem vielzitierten, aber nicht sehr präzise formulierten „Kulturauftrag“ nach? Darüber sprach die FURCHE mit Milo Dor.

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In den Programmrichtlinien des ORF heißt es: „Der Programmauftrag zu Kirnst und Wissenschaft geht über die Erfüllung des Informationsauftrages in Programmelementen der Kultur-Berichterstattung über Themen des Kunst- und Wissenschaftsbereiches hinaus.“ Das bedeutet, meint Milo Dor, daß sich der Kulturauftrag nicht darin erschöpft, teure Opemübertragung zu senden oder in Form von „Seitenblicken“ über Vemissagen zu berichten, sondern es ginge darum, alle Sendebereiche mit Kultur zu durchfluten. Dor könnte sich zum Beispiel vorstellen, in der Pause einer Fußballübertragung, statt die Fußballer über die erste Halbzeit quatschen zu lassen, Kurzfilme zu senden. Wichtig wäre, die Kultur nicht in eine Ecke zu drängen, sondern das Publikum an die Kultur zu gewöhnen. „Die Leute sollten Kultur als etwas sehen lernen, was zu ihrem täglichen Leben gehört“.

Über die Kandidaten für den Posten des Generalintendanten will Milo Dor kein Urteil abgeben, doch findet er es bedenklich, daß sich die drei aussichtsreichsten zwar zu Öster

reich bekannt haben, nicht aber explizit zum Kulturauftrag des ORF. Für ihn liegt die Gefahr der Aushöhlung dieses Kulturauftrages einerseits im Privatfemsehen, wodurch der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter noch viel stärkeren Druck gerät, und ebenso im Explodieren der Verwaltungskosten, sodaß immer weniger Geld für Produktion vorhanden ist.

„Ich habe den Angestellten im ORF einmal gesagt - worüber die sehr verschnupft waren —, ihr findet das Leben ja wunderbar, ihr habt gute Gehälter, alles läuft herrlich, das einzige was euch stört ist, daß ihr auch ein Programm machen müßt“; und ohne Autoren, so Dor, ist es halt schwer, ein Programm zu machen.

Die Honorare für die Autoren sind im Vergleich zu den sechziger Jahren viel schlechter, es gibt kaum mehr Femsehspiele oder Filme über Kulturlandschaften oder Städte.

Auch im Rundfunk, beklagt Milo Dor, ist das Wort zugunsten der Musik stark zurückgegangen. Vergleichbares ist in den Printmedien beim Verhältnis Wort- Bild zu beobachten. Freilich kann man auch ohne Autoren ein Programm machen und das Publikum mit Musikantenstadl oder Fußballübertragungen abfüttern, doch was soll dann das Bekenntnis zu Österreich. Denn für Dor rekrutiert sich die österreichische Identität nicht aus

der Pseudo-Folklore: „Unsere Identität ist praktisch nur in der Kultur enthalten.“

Deshalb empfindet es Dor als „Witz“, daß sich bislang kein einziger Bewerber für den Gl-Sessel auf seine Mitarbeiter festgelegt hat. Ein, Generalintendant macht

ja keine Kultursendungen, sondern holt sich Leute, die das machen. Daher wäre es gut, vorher zu wissen, wer die sein werden. Aber wie bei einer politischen Wahl, so kann auch der GI-Kandi- dat „nicht die Wahrheit sagen, wenn er gewählt werden will“. Ebenso wie in der Politik sieht Dor deshalb die Gefahr des Populismus gegeben. „Den Politikern sei es unbenommen, wenn sie vor den Wahlen etwa Grillparzer zitieren, um zu zeigen, daß sie Kultur haben, aber im ORF dürfen wir doch keine populistische Politik betreiben.“ Deshalb tritt auch die Interessengemeinschaft der Autoren (IG-Autoren) für den Erhalt des ORF- Monopols ein, weil die privaten Sender keine Autoren brauchen, höchstens Schreiberlinge für Zwischentexte. „Wir wissen ja, wer Privatfemsehen haben will, aber wenn das so ausschaut wie die ,Krone1, dann kann von Kultur keine Rede mehr sein“, gibt sich Dor pessimistisch. Deshalb hält er die Heranziehung schöpferischer Kräfte für die wichtigste Aufgabe des ORF.

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