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Androsch konnte kaum Widerstand leisten

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Das Mißverhältnis zwischen Bühnenluxus und Autorenarmut strebt neuen Höhepunkten entgegen. Wir geben schon fast eine Milliarde im Jahr für die Bundestheater aus, aber die Literaturförderung ist diesem Staat nicht einmal ein Prozent^) dieses Betrages wert. (Schweden, ein Land vergleichbarer Einwohnerzahl, wendet dafür das Fünffache auf!) Heuer entstand die absurde Situation, daß den Schriftstellern im Budget eingeplante Beträge verlorengehen, weil die gesetzliche Grundlage, das Geld auch auszugeben, fehlt. Irgendwo zwischen Justizministerium und Parlament muß der Entwurf für ein Bibliotheksgroschen-Gesetz unter die Stiefel gewichtigerer Interessenvertreter geraten sein. Die FURCHE sprach darüber mit dem Schriftsteller (und streitbaren Schriftsteller-Interessenvertreter) Milo Dor.

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Das Mißverhältnis zwischen Bühnenluxus und Autorenarmut strebt neuen Höhepunkten entgegen. Wir geben schon fast eine Milliarde im Jahr für die Bundestheater aus, aber die Literaturförderung ist diesem Staat nicht einmal ein Prozent^) dieses Betrages wert. (Schweden, ein Land vergleichbarer Einwohnerzahl, wendet dafür das Fünffache auf!) Heuer entstand die absurde Situation, daß den Schriftstellern im Budget eingeplante Beträge verlorengehen, weil die gesetzliche Grundlage, das Geld auch auszugeben, fehlt. Irgendwo zwischen Justizministerium und Parlament muß der Entwurf für ein Bibliotheksgroschen-Gesetz unter die Stiefel gewichtigerer Interessenvertreter geraten sein. Die FURCHE sprach darüber mit dem Schriftsteller (und streitbaren Schriftsteller-Interessenvertreter) Milo Dor.

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FURCHE: Man redet seit Jahren über den Bibliotheksgroschen. Wann wird dieses Gesetz endlich beschlossen? Existiert überhaupt ein Entwurf?

DOR: Das Justizministerium hat ihn vor geraumer Zeit fertiggestellt. Unterrichtsministerium und Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung haben ihn befürwortet. Im Budget für das Jahr 1976, das 1975 verabschiedet wurde, war auch bereits ein Betrag vorgesehen.

FURCHE: Was geschieht damit — angesichts der Tatsache, daß die gesetzliche Grundlage, ihn auszugeben, fehlt?

DOR: Dieser Betrag ist natürlich längst im großen Topf untergegangen und für uns verloren.

FURCHE: Wo ist der Gesetzentwurf über die Einführung des sogenannten Bibliotheksgroschens auf seinem Weg in das' Hohe Haus hängengeblieben?

DOR: Er war sogar schon im Parlament. Das Gesetz sollte im Juni 1975 als Initiativantrag aller drei Parteien eingebracht werden, aber es wurde im Justizausschuß im letzten Autgenblick zurückgestellt, meines Wissens auf Grund eines Einwandes von Abgeordnetem Zeillinger, der Justizausschuß sei überlastet. Nachher hat sich niemand mehr dieses Gesetzesentwurfes angenommen.

FURCHE: Von wo kommt der Hauptwiderstand?

DOR: Aus begreiflichen Gründen kommen die Bedenken wohl vor allem aus dem Finanzministerium, aber ich möchte ihm nicht den schwarzen Peter zuschieben. Den in diesem Gesetz vorgesehenen Sozialfonds sieht auch Minister Androsch als Notwendigkeit an, und wenn von anderer Seite genügend Druck auf das Finanzministerium ausgeübt würde, könnte er kaum Widerstand leisten. Aber es handelt sich hier um ein Gesetz, mit dem zwar jeder einverstanden ist, das aber niemandem wichtig ist, weil es politisch niemandem etwas einbringt. Niemand stellt sich für uns auf die Füße, mit wem immer wir auch sprechen, jeder ist dafür und schiebt die Schuld an den Verzögerungen auf andere ab. Dia Dichter sind die Zeugen der Geschichte, aber wo es um unsere materiellen Interessen geht, werden wir nicht qualitativ, sondern quantitativ beurteilt, und auf der Stirromerawaage sind wir ein Nichts.

FURCHE: Was würde das Bibliotheksgroschen-Gesetz den

Autoren bringen?

DOR: An sich viel zu wenig. Es handelt sich buchstäblich nur um einen Katastrophenfonds. Ich bin über diesen Entwurf; keineswegs froh, aber man muß einen Anfang machen, um wenigstens einmal die allerschlimmsten Härtefälle bereinigen zu können.

FURCHE: Härtefälle wie Reinhard Federmann?

DOR: Ja, er hat nur Schulden hinterlassen, er war kraß unterversichert und die Behandlung war sehr teuer, zum Glück kam man den Hinterbliebenen entgegen. Es bleibt noch schlimm genug.

FURCHE: Alexander Lernet-Holenia ist erkrankt und mußte für längere Zeit in eine Klinik. Ist auch er unterversichert?

DOR: Natürlich, Seine Freunde befürchten, daß er seine gesamten Ersparnisse verliert, denn er wird für den größten Teil der Behandlungskosten aufkommen müssen.Wieviel kann sich ein Autor schon zurücklegen, der in 50 Jahren Arbeit vielleicht zehn Erfolgsjahre hatte? In den fetten Jahren zahlt er Steuer wie ein Schwerverdiener, daher bleibt selbst nach einem erfolgreichen Werk kaum etwas für die mageren Jahre oder gar für das Alter.

FURCHE: Heißt das, daß die Autoren das Bibliotheksc/roscben-Gesetz vor allem wegen des darin vorgesehenen Sozialfonds wollen?

DOR: Genau dies heißt es. Das Gesetz soll den Bund verpflichten, die Autoren für die Entlehnung ihrer Bücher aus öffentlichen Büchereien zu entschädigen. Die dafür vorgesehene Pauschalsumme von acht Millionen im Jahr wird zur Hälfte an die Autoren, deren Bücher in öffentlichen Bibliotheken stehen, entsprechend den Ausleihefrequen-zen, so gerecht wie möglich verteilt Obwohl wir alle Minibeträge unter 300 Schilling pro Jahr streichen, um das Geld nicht völlig zu zersplittern, hat der Großteil der Autoren sehr wenig Tantiemen zu erwarten.

FURCHE: Und vom Sozialfonds?

DOR: Ein Almosen im Alter und Hilfe im äußersten Notfall. Autoren, die arbeitsunfähig oder aber 65 Jahre alt sind, sollen eine kleine Rente bekommen, wenn sie mindestens zehn Jahre hauptberuflich vom Schreiben gelebt haben und weniger als das doppelte Mindesteinkommen nach ASVG, also 6000 Schilling, verdienen. Es handelt sich also eher um einen Katastrophenfonds für den Fall, wenn einer von uns komplett pleite geht. Ich finde das nicht sehr gerecht, aber wir wären schon darüber froh.

Mit Milo Dor sprach FURCHE-Redakteur Hellmut Butterweck.

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