An Nestroys Satire vorbei

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Das Burgtheater zeigt drei Einakter des bitterbös-scharfsinnigen Dramatikers - warum, bleibt unklar.

Mit drei Petitessen aus Nestroys Possenkosmos wartet das Burgtheater in dieser Saison auf. Der Nestroygeübte Robert Meyer hat drei - in großen zeitlichen Abständen entstandene - Einakter nicht nur arrangiert und inszeniert, sondern ist auch, wie der "Schöpfer des österreichischen Witzes", selbst in der Titelrolle zu sehen. Das Vorspiel "Zettelträger Papp" gilt als zweites Stück des blutjungen Johann Nestroy, der schon hier seinen bitterbösen Blick auf den damaligen Theaterbetrieb und sein neuigkeitengieriges Publikum wirft. Schlaue Diener, idealistische Theaterbegeisterte und großbürgerlich vertrottelte Herrschaften bilden auch das Figurenpersonal der folgenden beiden Einakter, "Ein gebildeter Hausknecht" und die vielgespielten "Früheren Verhältnisse".

Das Burgtheater-Monatsmagazin Vorspiel kündigt mit einem Beitrag von Richard Reichensperger einen urbanen Nestroy, einen modernen Theaterrevolutionär an. Allein die Handlung ins Heute zu verlegen, wie Meyer und sein Bühnenbildner Christoff Wiesinger die "Früheren Verhältnisse" eingerichtet haben, reicht für diesen Anspruch allerdings nicht. Überhaupt wirkt der Abend recht unentschieden zwischen Andeutungen und plakativer Komik und stolpert unausgefeilt an Nestroys feiÀner Satire vorbei.

Robert Meyer spielt Robert Meyer: jede Geste eine Pose. "Weil ich will nicht so stark auftragen", sagt er als Zettelträger Papp, wenn er seinen Hamlet "dezent zu geben" meint, und amüsiert sein Publikum mit Missverständnissen, denen er selbst auf den Leim geht.

Nicht zufällig gilt Nestroy als der am meisten missverstandene österreichische Dramatiker. Publikumslieblinge auf der Bühne zu arrangieren, Couplets zu aktualisieren und Pointen gekonnt zu setzen, reichen mit Nestroys Wortwitz für eine putzige, amüsante Inszenierung. Für mehr jedoch nicht. Paul Wolff-Plottegg verharmlost Nestroys bitterböse gezeichneten Kieselbach und gibt ihn der Lächerlichkeit preis. Eine schlimme Outrage, gepaart mit offensichtlicher Textunsicherheit. Auch Petra Morzé changiert überdreht zwischen süß-derbem Wiener Mädel (Auguste) und hysterischer Salondame (Josephine von Scheitermann). Sie rudert mit ihren Armen und wackelt mit den Hüften, während offenbar Regisseur Meyer mit dem Hauptdarsteller Meyer beschäftigt ist. Dieser hält zwar verlässlich, wo solides Unterhaltungstheater gefragt ist, aber warum es akkurat diese drei Kurz-Nestroys sind, bleibt unklar.

Die Lorbeeren des Abends gehören Regina Fritsch, die in ihrer perfekten Stimmbeherrschung kokett mit Branko Samarovski (als Hausknecht Knitsch) schnurrt. Vor allem in den "Früheren Verhältnissen" findet sie als freche Köchin Peppi Amsel mit Samarovksi, als Emporkömmling Scheitermann, zu ÀÀeinem Witz zwischen den Zeilen, der Nestroys scharfsinnige Gesellschaftskritik hinter den Bonmots mitspielt.

Otmar Klein hat die Couplets großartig verjazzt, schade nur, dass sie auf Überleitungsnummern reduziert sind, die das heitere Nestroy-Potpourri verbinden.

Nach diesem Abend und den erfolglosen Kurzstück-Neuentdeckungen des Theaters in der Josefstadt ist eines gewiss: Nestroys pointensichere Kritik am Theater, das um jeden Preis Spektakuläres bringen will, gilt auch heute noch: Vielleicht sind seine abendfüllenden Stücke doch nicht so übel?

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