Der Streit Macht Kultur

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Über Geschmack lässt sich nicht streiten, sagt ein Sprichwort, das lügt. Denn freilich lässt sich über Geschmack streiten -und wie! Nicht zuletzt die Literaturkritik führt Leserinnen und Lesern vor Augen, dass die Kriterien, deren sie sich bedient, vom Geschmack der Kritiker nicht zu lösen sind - und mit Geschmack meine ich hier nicht nur persönliche Lesevorlieben, sondern auch die Erwartungen und Ansprüche der sogenannten professionellen Leser, was Literatur kann und soll. Über diese Geschmäcker, Erwartungen und Ansprüche soll sogar gestritten werden: denn ein solcher Streit macht Kultur.

Kunst ist im besten Fall eine umstrittene Angelegenheit. Wo diskutiert wird, was Kunst ist und was nicht, was gelungen und was nicht, wo gerungen wird um neue ästhetische Ansätze, um Bewertungen und um die Kriterien für die Bewertungen, dort passiert Kultur. Das gilt auch für die Literatur. Die literarische Kultur besteht nicht bloß aus Büchern, sie lebt vom öffentlichen Reden über Literatur, mag das nun den Autoren und Autorinnen schmecken oder nicht.

Was wir lesen und warum

Dieses Gespräch verleiht Literatur zudem gesellschaftliche Bedeutung und stößt Leserinnen und Leser an, darüber nachzudenken, was sie (nicht) lesen und warum sie es (nicht) lesen. Der öffentliche Austausch von Argumenten und das Reiben von Ansichten lädt zur eigenen kritischen Lektüre ein. Als ein Teil dieses öffentlichen Gesprächs versteht sich die Literaturbeilage der FURCHE, das BOOKLET, das seit über einem Jahr Monat für Monat auch mit seinen Themen-Essays zur kritischen Auseinandersetzung anstoßen will, zuletzt mit der provokanten -und aus ästhetischen und gesellschaftspolitischen Gründen wichtigen -Frage nach der "Gegenaufklärung in der Literatur", die in diesem Heft eine spannende Fortsetzung findet.

"Man sollte aber einen Augenblick die Augen schließen und sich eine literarische Welt ganz ohne Kritik vorstellen, also gleichgeschaltet mit dem Universum des Konsums, in dem ein bißchen Warentest und Verbraucherschutz genügen müssen, um über das Angebot zu informieren. Das völlige Verschwinden von Kritik, ihre Abwesenheit ist, mit einigem Grauen, durchaus vorstellbar", meinte der 2003 verstorbene Literaturkritiker und Schriftsteller Reinhard Baumgart und das Ergebnis seines Gedankenexperiments ist heute aktuell wie eh und je. "Ich denke nur, es würde unweigerlich auch das Verschwinden von Literatur, Literatur als Kunst, nach sich ziehen. Die sich nur behaupten kann in einer fortlaufenden Auseinandersetzung über sich selbst, über die Grenze nämlich zwischen ihr und dem, was an Printentertainment sich immer wüster ausbreitet und sie abdrängt in ihre Nischen."

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