Digitales Weiterleben nach dem Tod

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So manche Verstorbene leben in der Online-Welt munter weiter. Deshalb gibt es dafür digitale Bestatter. Eine Spurensuche nach den Hinterlassenschaften im Netz.

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So manche Verstorbene leben in der Online-Welt munter weiter. Deshalb gibt es dafür digitale Bestatter. Eine Spurensuche nach den Hinterlassenschaften im Netz.

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Seine Augen strahlen, sein Mund lächelt. Ein stimmungsvolles Bild, das Bernhard hier postete. Im Hintergrund erkennt der Betrachter den Dom von Florenz. Es wirkt so, als würde Bernhard darüber schweben. Florenz war eine seiner Lieblingsstädte. Einige seiner Facebook-Freundinnen und -Freunde teilen mit Bernhard die Freude über dieses stimmungsvolle Bild. Sie drücken ihre Zustimmung mit "Gefällt mir" aus. Nur ein einziges Post in der Chronik von Bernhard stört die Idylle: "Mein Freund Bernhard ist verstorben. Furchtbar." Bei Facebook ist Bernhards Profil weiterhin online. Bernhard "lebt" dank Facebook in der Cyberwelt weiter.

Erfährt Facebook vom Tod eines Benutzers, dann versetzt es dessen Profil in einen Gedenkzustand. In dieser Form bleiben Verstorbene dank Facebook digital am Leben. Freunde können weiterhin Statusmeldungen posten oder mit dem Verstorbenen befreundet bleiben. Schwieriger wird es, wenn Angehörige den Account löschen wollen. Facebook verlangt nach einer Geburts- und Sterbeurkunde; auch muss die Beziehung zum Verstorbenen nachgewiesen werden. Profil-Anmeldedaten gibt Facebook nach Ableben der Person an Verwandte nicht weiter. Das Netzwerk rät den Nutzern, bei den Einstellungen einen Nachlasskontakt einzurichten. Die dort genannte Person kann im Todesfall auf den Account des Verstorbenen zugreifen.

Online leben Singles länger

Ein Fall in Deutschland erschütterte vor Kurzem die Öffentlichkeit: Eltern einer Minderjährigen klagten Facebook auf die Herausgabe der Nutzungsdaten ihrer Tochter. Sie wollen das Profil ihrer Tochter selbst weiterführen, weil sie hoffen, mehr über die Hintergründe ihres Selbstmordes zu erfahren. Facebook legte gegen das Gerichtsurteil Berufung ein. Der Ausgang des Verfahrens wird mit Spannung erwartet.

Die ausschließlich über das Internet agierende Partnervermittlung Parship mit ihren nach eigenen Angaben 500.000 Mitgliedern bleibt vom Tod seiner Mitglieder nicht verschont. Wie viele Partnersuchende pro Jahr sterben, wisse Parship nicht, versichert Vanessa Salzer von der Parship-PR-Agentur Ecker & Partner im Gespräch mit der FURCHE. Doch was passiert mit jenen kostenpflichtigen Profilen, deren Inhaber verstorben sind? Können Mitglieder einem Verstorbenen ein "Lächeln" schicken oder ihn auffordern, sein Bild freizugeben? Bis zur Löschung könnten aber Tage, Wochen oder Monate vergehen, wenn Angehörige Parship über den Tod des Mitglieds nicht informieren. "Im Todesfall wird ein Vertrag erst beendet, wenn von einem verstorbenen Mitglied die Kopie der Sterbeurkunde vorliegt", sagt Vanessa Salzer, "dann löschen wir das Profil".

Markus machte die Probe aufs Exempel. Er ist auf Partnerinnensuche und richtete bei Parship ein kostenloses Profil ein. Markus stellte sich "tot". Er erhielt dennoch Anfragen. Fazit: Das Profil bleibt weiterhin online.

Angehörige sind nach dem Tod eines lieben Menschen oft überfordert. An die digitale Hinterlassenschaft, wie etwa E-Mail-Konten zu deaktivieren, Kundenkonten bei Online-Shops zu schließen oder Web-Profile zu löschen, denkt kaum jemand.

Gernot Fellner, Notar in Linz, wundert sich über das geringe Problem-Bewusstsein der Österreicher. "Wenn ich bei einem Gespräch mit Klienten dieses Thema anspreche, ernte ich Unverständnis", sagt der Notar.

Für Maximilian Schubert, Generalsekretär des Verbandes der Internet Service-Provider Österreichs (ISPA), ist das Bewusstsein für die digitale Verlassenschaft in der Bevölkerung nur langsam am Wachsen. Vor wenigen Jahren sei der digitale Nachlass überhaupt kein Thema gewesen, meint Schubert, doch "immer mehr Internet-User machen sich Gedanken darüber, wie sie vorsorgen können".

Digitale Bestatter im Kommen

Findige IT-Unternehmen haben das neue Geschäftsfeld bereits wahrgenommen - digitale Bestatter sind im Kommen. Sie beseitigen jene Spuren, die eine Person im Internet hinterlassen hat. Sie löschen Accounts und Profile bei den Providern oder bei Sozialen Netzwerken, kündigen Verträge oder Mitgliedschaften. Erleichtert wird das, wenn die Daten und Passwörter in einer Art digitalem Schließfach noch zu Lebzeiten des Inhabers hinterlegt werden.

Einer der bekanntesten Verwalter, der den digitalen Nachlass regelt, ist das deutsche Unternehmen Columba. Schubert sind jedoch zur Zeit keine Firmen bekannt, die auch in Österreich ihre Leistungen anbieten. Speziell das Hinterlegen der Daten bei einem digitalen Bestatter kann aber auch zum Problem werden: Wenn das Unternehmen irgendwo im Ausland einen Sitz hat, sei es schwer vorauszusagen, was mit diesen Daten beispielsweise bei einer Pleite passiert, gibt Schubert zu bedenken.

Das alles bekommt Bernhard nicht mehr mit. Er hat die Offline-Welt bereits verlassen. Im Juni werden ihm seine Facebook-Freunde wieder zum Geburtstag gratulieren.

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