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Müde Nostalgie

Breitenerprobte Motive aufarbeiten, das ist Michael Herbigs Erfolgsrezept. Nach der Karl-May-Persiflage „Der Schuh des Manitu“, nach der SciFi-Parodie „(T)Raumschiff Surprise“ oder etwa dem Animationsfilm „Lissi und der wilde Kaiser“ kramt er nun also den Zeichentrick-Serienhelden Wickie hervor. Der schlaue Wikingerjunge in Realfilmformat. Und doch verlässt Herbig gewohntes Terrain: Klamauk und Comedy werden in Gegensatz zu den Vorgängern großteils ausgespart, nur: Es wird auch wenig Wert auf durchgängigen Spannungsbogen oder originellen Plot gelegt. Der Fokus liegt fraglos auf der aufwändigen Ausstattung und auf den frischen Gesichtern, ergänzt durch Stars wie Jürgen Vogel oder Christoph Maria Herbst. Die Kinder von Flake werden entführt, der erfindungsreiche Wickie konnte diesem Schicksal entgehen und bricht nun seinerseits mit den starken, wenngleich nicht allzu geistreichen Männern auf, die Verschleppten zu retten. Müde, familientaugliche Nostalgie liefert Herbig ab und verzichtet auf eine amüsante Meta-Ebene gerade für die, die Wickie aus ihren Kindertagen kennen. (Nicole Albiez)

Wickie und die starken Männer

D 2009. Regie: Michael Bully Herbig.

Mit Jonas Hämmerle, Waldemar Kobus, Günther Kaufmann, Ankie Beilke.

Verleih: Constantin.85 Min. Ab 9.9.

Ein wenig Mystery, viel Blut

Nick hat bei einem Autorennen eine schreckliche Vision: Er sieht einen Crash samt unheimlichen vielen Toten voraus. Doch indem er sich, seine Freunde und andere Beteiligte durch rechtzeitige Flucht rettet, ist noch lang nichts gerettet. Denn Nicks Visionen halten an – und eine/r nach dem/der anderen wird Opfer arg brutaler Unfälle, die einfach kein Zufall sein können.

Der vierte Teil der Teenie-Horrorfilm-Reihe „Final Destination“ kommt in die Kinos, zum zweiten Mal (nach Teil 2) führt David R. Ellis Regie. Wer ein wenig Mystery und viel Blut, Beuschel und Gedärm auf der Leinwand virtuell pickend mag, kann sich an diesem professionell gemachten – und auch in 3D gefilmten – Spektakel gütlich tun. Eindeutig herausragend die Leistung von Bobby Campo als Nick, der sich mit dieser Horror-Schnurre als Talent für höhere Weihen Hollywoods empfiehlt.

(Otto Friedrich)

Final Destination 4 – 3D

USA 2009. Regie: David R. Ellis:

Mit Bobby Campo, Shantel VanSanten,

Haley Webb. Verleih: Warner. 82 Min.

Allegorischer Mikrokosmos einer polnischen Kleinstadt

Man kann Glück nicht erzwingen, aber zumindest herausfordern – das ist die Botschaft, mit der Andrzej Jakimowski im Art-House-Kleinod „Kleine Tricks“ Zuseher und Darsteller fordert. Erste, weil sie auf ungewöhnlich entschleunigte Weise in den allegorischen Mikrokosmos einer polnischen Kleinstadt eintauchen, und Letzte, weil sie mit der kindlichen Beharrlichkeit des siebenjährigen Stefek konfrontiert werden, der sich als Protagonist der märchenhaften Erzählung um die Zusammenführung seiner Familie bemüht.

Doch die kleinen Tricks, mit denen er das Schicksal seines mutmaßlichen Vaters zu manipulieren versucht, erweisen sich nur bedingt als zwischenmenschliche Glücksgriffe.

Vor allem dank der enormen Authentizität des Laiendarsteller-Ensembles setzt Regisseur Jakimowski eine subtile Erzählung in Szene, die im Gegensatz zu gängigen Blockbuster-Schinken durch entwaffnende Natürlichkeit besticht.

Nicht zuletzt dank eines „kleinen Tricks“: „Es kommt vor, dass ich die Vorbereitungen für eine Aufnahme abbreche und sage, dass wir doch nicht drehen. Nur ich und der Kameramann wissen, dass wir in Wirklichkeit die Szene schon im Kasten haben“, verrät der Filmemacher das Geheimnis seines spontan wirkenden Erzählstils. (Jürgen Belko)

Kleine Tricks (Sztuczki)

PL 2007. Regie: Andrzej Jakimowski. Mit Damian Ul, Ewelina Walendziak, Rafa/l Gu´zniczak.

Verleih: Filmladen. 96 Min.

Die Kartoffel im Schoß

Der Beginn ist der Tod: In eindringlichem Singsang haucht die alte Frau ihr Leben hinweg. Die zurückbleibende Tochter – Fausta mit Namen – will die Mutter in ihrem Dorf begraben; solange sie am Stadtrand von Lima beim Onkel lebt, bewahrt sie die mumifizierte Leiche unterm Bett auf. Fausta hat „La teta asustada“, also das Trauma ihrer im peruanischen Guerillakrieg vergewaltigten Mutter „mit der Muttermilch aufgesogen“ (siehe oben). Um sich selbst vor sexuellen Angriffen zu schützen, hat sie eine Kartoffel in der Scheide platziert, die dort längst austreibt. Eingesperrt in ihren Körper und ihr Ich muss Fausta lernen, mit der Welt zurechtzukommen. Sie singt improvisierte Lieder auf Ketschua und arbeitet bei einer gleichfalls psychisch unausgeglichenen Komponistin.

Claudia Llosa hat in „La teta asustada“ einen exemplarischen Film geschaffen, der zum Einen die Zerbrochenheit von Menschen durch die Wirren eines Bürgerkriegs nahebringt. In jedem Fall ist er ein Dokument zeitgeschichtlicher Aufarbeitung. Doch zum Anderen entpuppt sich der Berlinale-Sieger dieses Jahres als beinahe unerschöpfliches Reservoir an Symbolen und kulturellen Anklängen an die Mythologie der Andenbewohner, die heilend sein kann oder auch nicht. Dass Fausta die Mumie der Mutter – eigentlich die „Mallki“, so der Ketschua-Ausdruck eines verstorbenen Körpers, der bei religiösen Riten verwendet wird – aufbewahrt, gehört da ebenso dazu wie surreale Momente – neben der Kartoffel im Schoß etwa die Wandlung des ausgehobenen Grabes für die Tote zu einem Planschbecken für Kinder.

Magaly Solier, Llosas Entdeckung schon für ihren ersten Film „Madeinusa“ (2006), spielt die Fausta unnachahmlich. Eine cineastische Betörung, die ein wirres Geflecht feinster Fäden von Beziehungen, Anspielungen, Symbolen zu einem der großen Filme des Jahres verwoben hat. Der Goldene Bär dafür war überraschend. Aber mehr als verdient. (Otto Friedrich)

La teta asustada

Peru/E 2009. Regie: Claudia Llosa. Mit Magaly

Solier, Marino Ballón. Verleih: Stadtkino. 94 Min.

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