Fremdenführer für den Krieg

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Pointiert lautete das sich hinter der Idee des "Embedding", des in das Militär "eingebetteten Journalisten", verbergende Kalkül der pr-Spezialisten aus dem Pentagon: "Schleichende Korruption durch Nähe". Der springende Punkt dabei war, dass die Medienvertreter zuvor einen Katalog vorgegebener Grundregeln für die Berichterstattung - das sogenannte "cflcc Ground Rules Agreement" - unterzeichnen mussten. Dabei handelte es sich um ein äußerst ausgeklügeltes System von Auflagen und Offerten für Journalisten und ihre Berichterstattung, das der alterprobten Maxime "do, ut des" folgte und zugleich günstigste Voraussetzungen für eine wirkungsvolle Manipulation und Korrumpierung der Kriegsberichterstattung im von der us-Administration erwünschten Sinne schaffte. Auf diese Weise sollten Reporter zu "cheerleaders for the military" respektive "tour guides for war" umfunktioniert werden.

Darüber hinaus wurden in Konkurrenz zu den kommerziellen Medien noch so genannte "Joint Tactical Information Cells" installiert, deren "Mediensoldaten" mit Hilfe modernster Satelliten-Technologie eigene Text-und Bildberichte über den Kriegsverlauf versenden konnten, was den unschätzbaren Vorteil der Exklusivität sicherte. Geliefert wurden solche Berichte unter anderem von so genannten "Combat Camera Teams", welche die us-Streitkräfte schon seit längerem unterhält und die für die visuelle Dokumentation des Krieges sorgen sollen. Deren Aufnahmen finden auch als Teil der Media-Kits Verwendung, mit denen Journalisten auf Pressekonferenzen versorgt werden.

Die pr-Arbeit des us-Militärs zielt auf drei Adressatengruppen, nämlich die amerikanische Öffentlichkeit, die Öffentlichkeit in den verbündeten Staaten sowie die Öffentlichkeit in den Staaten, in denen die usa militärische Operationen durchführen. Die vorrangige Devise dabei lautet: "Wir müssen über die Tatsachen berichten - seien sie gut oder schlecht - bevor andere die Medien mit Desinformationen und verzerrten Darstellungen impfen, wie sie es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auch weiterhin tun werden. Unsere Leute vor Ort müssen unsere Sichtweise vermitteln."

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass es dem us-Militär mittels seiner ausgeklügelten pr-Arbeit gelang, sicherzustellen, dass der Irak-Krieg 2003 zwar nicht absolut, aber nahezu nur insoweit abgelichtet werden konnte, wie es dem Pentagon passte. Die Basis des Erfolgs bildete eine Doppelstrategie, nämlich einerseits wohlwollend gesonnene Medienvertreter nach allen Regeln der Kunst zu umgarnen und zu korrumpieren. Ein Washingtoner Redaktionsleiter schwärmte diesbezüglich: "The beauty of the embed program was that it served our needs and it served your needs" ("Das Schöne am Einbettungsprogramm war, dass unsere und eure Anliegen bedient wurden").

Unabhängige schikaniert

Andererseits wurden unabhängig recherchierende Reporter, insbesondere auch solche aus europäischen und arabischen Ländern, systematisch benachteiligt, behindert, schikaniert und in Einzelfällen auch massiven Bedrohungen für Leib und Leben ausgesetzt, wie die Bombardierungen von Al Jazeera und Abu Dhabi tv sowie der Beschuss des Hotels "Palestine" in Baghdad illustrieren. Diese Verfahrensweise hatte zur Folge, dass dem Publikum zwar eine Fülle von selektiven Eindrücken über die Kampfhandlungen vermittelt wurden, es aber keine Chance besaß, die komplexe Realität des Krieges zu erfassen. Erzeugt wurde allenfalls die Illusion, am Krieg "beteiligt" gewesen zu sein. Diese Einschätzung spiegelt sich auch in dem Umstand wider, dass von den insgesamt 775 "eingebetteten" Reportern gerade einmal 40 bis 50 tatsächlich die Gelegenheit bekamen, "to see war in action".

Der Autor, Jürgen Rose, ist Oberstleutnant der Deutschen Bundeswehr; dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

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