7102764-1995_18_09.jpg
Digital In Arbeit

Machtmensch & Friedensbegrunder

Werbung
Werbung
Werbung

Gleichzeitig auf Schloß Tirol bei Meran und im Stift Stams - vierzig Kilometer westlich von Innsbruck - startet am 13. Mai die erste gemeinsame Tiroler Landesausstellung. Unter dem Titel „Eines Fürsten Traum Meinhard II. - Das Werden Tirols” soll das Werden des Landes Tirol im Mittelalter an rund siebenhundert Objekten gezeigt werden. Anlaß dazu gab der Tod von Meinhard IL, Graf von Tirol (und seit 1286 auch Herzog von Kärnten), der sich heuer zum siebenhundertsten Mal jährt. Auf Meinhards II. Grabinschrift im Kloster von Stams steht „Dem Begründer des Friedens und Verderber des Streits”. Als „Sohn des Ungehorsams” benennt ihn sein Zeitgenosse Papst Gregor X. und für Papst Bonifaz VIII. ist er ein „Bäuber der Güter und Rechte des Bischofs und der Kirche von Trient”. Aber bereits ein Chronist des 16. Jahrhunderts beschreibt ihn als „heldenhaften Fürsten, mit einzigartiger Klugheit ausgestattet und ganz auf Frieden erpicht”.

Wer war nun dieser Meinhard wirklich? Wie bei den meisten Menschen im Mittelalter erachtete man auch bei Graf Meinhard II. von Ti-rol-Görz das Datum seiner Geburt nicht für so wichtig, daß man es festgehalten hätte. Der etwa um 1238 geborene älteste Sohn Meinhards von Görz und der Adelheid von Tirol erhielt den Namen seines Vaters. Erstaunlich ist, daß es kein zeitgenössisches Bild oder Porträt des Grafen gibt. Nur auf seinem Siegel, das ihn in vollem Visier dynamisch auf einem Pferd vor-wärtsbreschend zeigt, ist er zu erahnen.

Sein Bild entschlüsselt sich erst an seinem Willen, seinen Ta ten und Handlungen. Mit Gewalt und Geschick, mit Geld und Glück gelang es ihm, Territorien zu vereinen und ein neues Land zu schaffen. Die Gebiete an Inn, Etsch und Ei-sack gehörten einst zum Herzogtum Bayern. Bereits im elften Jahrhundert wurden dann die Grafschaftsrechte an die Bischöfe von Brixen und Trient übertragen. Innerhalb seiner sechsunddreißig Jahre dauernden Begierungszeit unterwarf Meinhard diese Gebiete, so daß sich sein Land bei seinem Tode vom Lech bis zur Bienz im Pustertal und vom Ziller bis zum Avisio bei Trient erstreckte. Unter dem gemeinsamen Namen Tirol hatte das Land ein einheitliches Becht.

Freilich war Meinhards Macht- und Bündnispolitik umstritten, Prior Goswin von Marienberg schrieb im 14. Jahrhundert: „... und er tat viel anderes Furchtbares und Schreckliches in unserem Land, indem er Gerichte und Täler unterjochte und Burgen eroberte, auch alle Adeligen,

soweit er konnte, seiner Herrschaft unterwarf, so daß die Grafschaft Tirol, die minder war als die übrigen, alle anderen überragte.” Bereits früh lernte Meinhard die Folgen politischer Kämpfe am eigenen Leib kennen: Von seinem 15. bis zu seinem 21. Lebensjahr war er gemeinsam mit seinem Bruder Albert politischer Gefangener des Salzburger Erzbi-schofs. Mit einundzwanzig Jahren heiratete Meinhard die um zehn Jahre ältere Elisabeth von Wittelsbach, die Witwe König Konrads IV. und Mutter des letzten Staufers Konradin.

Über ein Jahrzehnt übten Meinhard und Albert gemeinsam die Herrschaft aus. 1271 schlössen die beiden Brüder einen Teilungsvertrag: Albert erhielt den Görzer Anteil der Erbes, der auch das Pustertal miteinschloß, Meinhard den westlichen Teil und damit die alleinige Herrschaft über Tirol. Mit Waffengewalt zwang er die Bürger von Bozen zur Unterwerfung, schränkte die weltliche Macht der Bischöfe von Trient und Brixen wesentlich ein und unterwarf in den folgenden drei Jahrzehnten fast deren gesamte Gebiete. Mit Glück, Geschick und Geld erlangte er die Herrschaft im oberen Tiroler Inntal und im Außerfern.

Nicht zuletzt wegen Meinhards militanten Vorgehens gegen die Bischöfe und seiner Parteinahme für die Staufer verhängte der Papst über ihn jahrelang den Kirchenbann. Tirol wurde unter Meinhard II. zu einem Kernland des mittelalterlichen Europas und zu einem Hauptdurchzugsland des internationalen Handelsverkehrs. Gasthöfe, Brücken, Hospize und Zollstationen entlang der Straßen- und Wasserwege an Etsch, Eisack und Inn wurden errichtet. Meinhards Geleitabkommen mit Venedig sicherte der landesfürstlichen Kasse höhere Zolleinnahmen.

Aber die Grundlage für Meinhards Erfolge bildete seine revolutionäre Organisation der Verwaltung. Erstmals in Mitteleuropa wurde ein „Landesbudget” erstellt, in dem alle dem Landesherrn zustehenden Einnahmen und Ausgaben aufgezeichnet und abgerechnet wurden. Meinhards Finanzkraft übertraf die der meisten Herrscher seiner Zeit. Mit der zumeist aus unteren sozialen Schichten stammenden Beamtenschaft schuf sich Meinhard eine Behördenorganisation und einen Stab zuverlässiger Mitarbeiter.

Mit der einheitlichen Verwaltung und einem allgemeinen Landrecht gewährte Meinhard den Bauern besondere Bechte, so konnte sich in der Folge ein freier Bauernstand in Tirol entwickeln.

1273 berief Meinhard aus Kaisheim bei Donauwörth Zisterzienser nach Stams und schuf damit demonstrativ ein Hauskloster und einen angemessenen Ort für die Grablege seiner Familie sowie ein neues religiöses Zentrum. Der Abt von Stams und seine Mönche wurden als persönliche Mitarbeiter und Berater des Landesfürsten in Diplomatie und Verwaltung verwendet. Meinhard ließ sogar seine in der Krypta Schloß Tirols begrabenen Vorfahren nach Stams überführen. Die meisten seiner Nachkommen sowie die habs-burgischen Tiroler Landesfürsten bis 1496 fanden hier ihre letzte Buhestätte. (Meinhards Enkelin, die kinderlose Margarethe Maultasch, übergibt 1363 ihre Herrschaft über das Land Tirol an die Habsburger.)

Die Landesausstellung zeigt Kunstschätze vom Brautbecher der Margarethe Maultasch bis zum Bei-tersiegel Meinhards II., von der Stamser Gründungsurkunde und einer Lindenholz-Statue des Hl. Pankratius aus dem 14. Jahrhundert. (Bis 31. Oktober)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung