Keine langweilige Kunst mehr!

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John Baldessari, Oskar Kokoschka-Preisträger, Pionier der amerikanischen Konzeptkunst und einer der einflussreichsten Künstler der Gegenwart, im Wiener MUMOK und im Grazer Kunsthaus.

Warum ist etwas Kunst und etwas anderes keine Kunst." Eine Frage, die man sich oft beim Besuch von Ausstellungen zeitgenössischer Kunst stellt. In diesem Fall stammt sie aber von einem Künstler selbst. Der 1930 in Kalifornien geborene John Baldessari befasst sich in seiner Arbeit seit den Sechzigerjahren mit der Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst. Baldessari hinterfragt immer wieder die klassische Position des "genialen" Künstlers, dessen Handschrift allein, so sehen es zumindest die Nicht-Künstler, Unverwechselbares schaffen kann. So beauftragte er Sonntagsmaler, Fotos auf Leinwände zu übertragen oder er ließ Textpassagen über die Herstellung und Betrachtung von Kunst von einem angeheuerten Schildermaler zu Textgemälden verarbeiten. 1971 gab er die Autorschaft in einer Ausstellung an seine Studenten weiter - sie schrieben den Satz "Ich will keine langweilige Kunst mehr machen" an die Wände. Ein Versprechen, das John Baldessari tatsächlich eingehalten hat, denn seine vielseitige Arbeit gehört zu den witzigsten und dennoch zugleich reflektiertesten Dingen, die die amerikanische Konzeptkunst hervorgebracht hat.

Weg vom Künstlerbild

Interessant ist Baldessaris Kunst auch durch die Beschäftigung mit der Ästhetik von Film und Fotografie - Medien, die im Zentrum seiner Arbeit stehen. Markenzeichen des 1996 mit dem Oskar Kokoschka-Preis ausgezeichneten Künstlers ist ein subtiler Umgang mit Sprache und Bild. Auf vielen seiner Bilder findet man geschriebene Sätze, die das bildlich Gezeigte spannungsvoll ergänzen und relativieren.

Begonnen hat die Lossagung vom klassischen Künstlerbild 1970. Da verbrannte John Baldessari sein komplettes malerisches Ruvre in dem Aufsehen erregenden "Cremation Project". Die rituelle Verbrennung wurde in einer Tageszeitung annonciert, die Asche der Kunst in einer buchförmigen Urne aufbewahrt, zu der eine Bronzetafel mit einer Inschrift gehört: "John Anthony Baldessari May 1953 March 1966".

Jetzt gibt es Baldessaris "Buchurne" im Wiener MUMOK zu sehen. Gemeinsam mit frühen Gemälden, die der Verbrennung entkamen, da sie schon verkauft waren - und mit zahlreichen späteren Arbeiten (Fotoinstallationen, Videoperformances, Skizzen, Büchern) geben sie einen Überblick über einen der einflussreichsten Künstler der Gegenwart.

Wiener Museums-Highlight

Soviel kann man jetzt schon sagen: Diese Ausstellung und der wissenschaftlich qualitätsvolle Katalog sind sicher eine der interessantesten diesjährigen Präsentationen "etablierter" Gegenwartskunst. In der hitzigen Debatte um die Situation der Wiener Museen und deren Evaluierung verdeutlicht die Präsentation Baldessaris, dass das Museum moderner Kunst seinen Forschungs- und Ausstellungsaufgaben verantwortungsbewusst nachkommt. Auch wenn gerade an dieser Schau wieder einmal zu sehen ist, wie schwer es ist, Gegenwartsausstellungen publikumswirksam zu vermarkten. Eine derart komplexe Schau spricht natürlich nur einen kleineren kunst- und kunstheoriebewanderten Besucherkreis an. Ihr Fehlen würde im Ausstellungsreigen 2005 dennoch eine große Lücke hinterlassen. Johanna Schwanberg

John Baldessari

A Different Kind of Order

(Arbeiten 1962-1984)

Museum moderner Kunst

Stiftung Ludwig Wien

Museumsplatz 1, 1070 Wien

www.mumok.at

Tel: 01/52500

Bis 3. Juli Di-So10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr

Unterschiedlichste Medien miteinander kollidieren zu lassen, ergibt mehr oder weniger Sinn. In diesem Raum des Dazwischen-Seins, diesem Einriss der Wirklichkeit, welcher zwischen "mehr oder weniger" liegt, treibt der amerikanische Künstler John Baldessari sein Werk voran. Ziemlich genau ein Jahr nach Sol LeWitts enigmatischem Mauermahnmal im Grazer Kunsthaus erweist sich der mittlerweile heimisch gewordene "Friendly Alien" erneut als Kunst-Guru-Palais. John Baldessari, geboren in National City, einem Vorort von San Diego, legendärer Lehrer etwa von Cindy Sherman, arbeitet und lebt heute in Santa Monica, dem "Sahnehäubchen" amerikanischer Filmwelt.

Persönliches Spätwerk

"Life's Balance" nennt sich die Ausstellung, die erstmals seit zehn Jahren Baldessari umfassend zeigt. Mit ihrem Titel rückt sie gleich einmal eines jener wunderbaren Konjunkturwörter der Gegenwart ins rechte Licht. Ironisch (möglicherweise auch unbeabsichtigt) gewinnt damit auch Baldessaris "Kollidierungsansatz" an Gleichgewicht. Verglichen mit seinen frühen Arbeiten, die zeitgleich im Museum Moderner Kunst in Wien zu sehen sind, scheint Baldessaris Spätwerk in einem sehr emotionalen, persönlichen und privaten Kontext entstanden zu sein. Der Künstler als laborierendes Subjekt, der die Wirklichkeit auf poröse Stellen hin abtastet. Unentwegt damit rechnend, dass Brutalität, Wahnsinn und Terror wie aus dem Nichts über uns brechen.

Diesem Nichts, dieser Porosität räumt Baldessari codierte Leerräume ein. Gesichter und Gegenstände aus Film- und Alltagswelt werden in großformatigen Schwarzweißfotos mit Scheiben in Rot, Gelb, Grün oder Blau überdeckt. Der Blick des Betrachters wird dabei umgelenkt. Aufmerksamkeit und Bedeutung verschieben sich und die neu oder/und wieder gewonnene Realität scheint ausbalanciert zu sein. Auf den Punkt gebrachter Eros schärft seine Arbeiten, etwa die Bildserie "Orange", indem die monochrom fixierten Farbscheiben zugleich anziehend wie ablehnend wirken. Für Tapetenmotive kreuzt Baldessari (fröhlich) Lampe, Ohr und Brezel oder Lampe, Nase und Knoblauch, testet und reizt dabei unsere visuelle Logik aus. "Strange - ich mag dieses Wort sehr, als Antonym zum Vertrauten. Ich glaube, die Kunst sollte die Dinge strange machen", bekennt Baldessari. Und das tut sie. Barbara Rauchenberger

John Baldessari

Life's Balance

(Werke 84-04)

Kunsthaus Graz, Space02

Lendkai 1, 8020 Graz

Bis 16.5. Di-SO 10-18, Do bis 20 Uhr

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