Künstlerischer Aufschrei für Asien

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Arbeiten über Burma, Tibet und die Inszenierung der Olympischen Spiele in Peking präsentiert eine aktuelle Schau bei Thyssen-Bornemisza Art Contemporary. Im Mittelpunkt steht kein geringeres Gut als die menschliche Freiheit.

Schon seit Langem sieht sich die Kunst aufgerieben zwischen jenen, die meinen, sie würde sich ohnedies nur freien Erfindungen hingeben, und jenen, die von ihr eine möglichst detailgetreue Nachbildung der Wirklichkeit verlangen. Da ist guter Rat schwer zu finden, aber der libanesische Schriftsteller und Multimediakünstler Jalal Toufic kann zumindest ein seriöses Angebot machen. "In Anbetracht des unüberbietbaren Desasters geht die Kunst wie ein Spiegel in einem Vampirfilm vor: sie zeigt den Rückzug dessen, von dem wir annehmen, dass es noch immer dort ist. Sollte das dazu führen, dass man nichts mehr aufnimmt? Nein. Man soll dieses, Nichts' aufnehmen, das erst nach der Auferstehung zur Verfügung steht." Die Kunst gibt damit allem, was übersehen wird, die Möglichkeit, aus diesem Zustand der Nichtigkeit herauszutreten. Eine allgemein schöne Aussicht, für die Kunst und alle ihre Hervorbringungen, die im Fall der aktuellen Präsentation bei Thyssen-Bornemisza Art Contemporary aber noch aus ganz anderen Gründen gelegen kommt.

Weg der Dokumentation

Denn diese Schau versammelt Arbeiten von Kunstschaffenden, die sich auf den zentral- und südasiatischen Raum beziehen und dabei konkret die in vielerlei Hinsicht schwierige Situation der dort lebenden Menschen in den Blick nehmen. Konzipiert vor dem Hintergrund der so genannten "Saffron-Revolution" in Burma, der Unruhen in Tibet und der Inszenierung der Olympischen Spiele in Peking im vergangenen Jahr, steht kein geringeres Gut als die menschliche Freiheit im Mittelpunkt. Die künstlerischen Thematisierungsplattformen verweisen auch sogleich darauf, dass die Bedrohung dieser Grundvoraussetzung auch sie selbst betrifft, indem sie den Weg der Dokumentation wählen. Was in der besten aller Welten, die ebenfalls zum allgemeinen künstlerischen Repertoire gehört, zu einer banalen Aufzählung eines ununterbrochen gleich langweiligen Alltags zerbricht, formt sich im Kontext der hier versammelten Arbeiten zu einem Aufschrei.

Ritualisierte Performance

So widmet der indische Künstler Amar Kanwar seine aufwendige Videoinstallation dem burmesischen Buchhändler Ko Than Htay. Dieser gestaltete seinen Beitrag zum demokratischen Widerstand gegen das Militärregime in einer Art ritualisierten Performance, indem er vor dem Verkauf der Bücher jeweils die erste, mit Propaganda verunstaltete Seite herausriss. Freilich handelte er sich damit einen Gefängnisaufenthalt ein und seine Aktion wäre eben jenem Rückzug erlegen, den aufzunehmen Jalal Toufic gefordert hat. Mit seiner Auferstehung in den Videosequenzen von Kanwar verbreitet sie sich nun als ein Dokument gewaltlosen Widerstandes in die Welt und gewinnt trotz ihrer örtlichen Verlagerung, wie es auch beim Gefängnis der Fall war, eine starke Erinnerungsmöglichkeit. Dass erfolgreiche Strategien zur Gewinnung von Freiheit - ganz egal ob im politischen, religiösen oder allgemeinen Sinn - nicht immer einfach zu finden sind, belegt auch die Videoarbeit von Ritu Sarin und Tenzing Sonam. Sie dokumentierten die mitunter sehr hitzigen Diskussionen von Teilnehmern eines Protestmarsches, der von Indien bis nach Lhasa führen sollte, darüber, ob Tibet gegenüber China einen mittleren Weg mit dem Ziel der Schaffung einer autonomen Provinz unter der Oberherrschaft Pekings bevorzugen, oder ob man weiterhin eine vollständige Unabhängigkeit anstreben sollte.

Die Architekten Nikolaus Hirsch und Michel Müller bauten eine verschachtelte Holzhülle, die in ihrem Verweis auf Schubladen als eine temporäre Unterkunft für eine Gruppe junger Medienfachleute dient. Tatsächlich bestehen deren Ablageboxen aber nicht aus Holz, sondern sind Ordner ihrer elektronischen Datensammlung und die "Nachbarschaft" - so der Name des gesamten Projektes auf Hindi - vollzieht sich nicht in der räumlichen Enge, sondern fließt über Datenleitungen in die ganze Welt. Eine ganz andere Rückführung von Aufzeichnungen vollzieht Qui Zhije. Er wanderte die Route des ersten Tibetforschers aus dem 19. Jahrhundert, Nain Singh, nach. Dabei hat er sich die Beine mit einer Kette gefesselt, jedoch nicht, um damit Unterdrückung zu versinnbildlichen, sondern damit sein Schritt immer das gleiche Maß einhält und er damit verlässliche Daten über die Länge seines Weges sammeln kann.

Ein Treppenhaus wandert aus

Sowohl Marine Hugonnier als auch Raqs Media Collective wenden sich der schriftlichen Form von Dokumentation zu. Letztere bedienen sich dabei der traditionellen Vorgabe der buddhistischen Jataka-Fabeln, um die berührende Geschichte eines Fahrrads zu erzählen, das seines Fahrers beraubt wurde und nun in winterlicher Umgebung herumsteht, nur "einen Pedaltritt" vor Erreichung des Buddha-Seins. Um eine örtliche Verlagerung geht es auch bei der Installation des südkoreanischen Künstlers Do Ho Suh. Er reflektiert seine Übersiedlung nach New York, indem er nun das dortige Treppenhaus in einem roten Transparentstoff detailgetreu nachbaut und damit den Dachboden in der Himmelpfortgasse, in dem sich dieses Elevationsinstrument nun befindet, sanft öffnet.

A Question of Evidence

Thyssen-Bornemisza Art Contemporary

Himmelpfortgasse 13, 1010 Wien

bis 5. April, Di-So 12-18 Uhr

Katalog: D. Zyman, D. Baldon (Hgg.), A Question of Evidence, König 2008, 190 S., e 19,-

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