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Alfred Kubin: Werk und Wirkung

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Alfred Kubin. Leben, Werk, Wirkung. Im Auftrag von Dr. Kurt Otte, Kubin-Archiv in Hamburg, zusammengestellt von Paul Raabe. 296 Seiten mit 137 Bildern, davon 36 auf Kunstdrucktafeln und vier auf Farbtafeln und einem Brieffaksimile. Rowohlt-Verlag, Hamburg

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Alfred Kubin. Leben, Werk, Wirkung. Im Auftrag von Dr. Kurt Otte, Kubin-Archiv in Hamburg, zusammengestellt von Paul Raabe. 296 Seiten mit 137 Bildern, davon 36 auf Kunstdrucktafeln und vier auf Farbtafeln und einem Brieffaksimile. Rowohlt-Verlag, Hamburg

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Das vornehm ausgestattete Buch trägt eine Bauchbinde, auf der steht: „Eine Publikation, wie sie noch keinem lebenden Künstler gewidmet wurde.“ Ein großes Wort! Und doch hat es seine Berechtigung. Denn der Bienenfleiß, mit dem hier nicht nur alle Werke Kubins, sondern auch alle seine anderen Lebensäußerungen, die die Oeffentlichkeit betrafen, sowie alle Publikationen über ihn bis zu Zeitungsaufsätzen verzeichnet sind, dürfte wirklich einmalig sein — fast, daß diese Sammlerleidenschaft zuweilen skurril wirkt. Für einen bedeutenderen Künstler als Kubin — etwa Picasso, Braque oder Chagall — dürfte ein Quellenwerk dieser Art gar nicht möglich sein: würde doch (abgesehen vom Oeuvre-Katalog) die Zusammenstellung aller Publikationen über sie nicht nur einen Band, sondern eine kleine Bibliothek füllen, vor allem, wenn man bedenkt, daß diese Publikationen ja in den verschiedensten Sprachen erfolgten. Und für einen weniger bedeutenden Künstler als Kubin, der ein geringeres Echo fand, würde es sich kaum lohnen.

Das Buch beginnt mit einer knappen Einleitung von Paul Raabe und läßt dann einen kurzen Lebensabriß Kubins folgen: „Lebensbericht in Dokumenten.“ Dieser stützt sich größtenteils auf die Selbstbiographie Kubins, die nach ihrem letzten Abdruck in seinem Roman „Die andere Seite“ aus dem Jahre 1928 zitiert wird. Dazwischen werden Stellen aus anderen Schriften Kubins und aus bisher unveröffentlichten Briefen an ihn wiedergegeben. Unter den Briefschieibern sind Max Dauthendey, Paul Scheer- bart, Stefan Zweig, Rudolf Kassner, Hans von Weber, Wassily Kandinsky. Franz Marc, Lyonei Feininger, Thomas Mann, Franz Kafka, Franz Werfel, Alfred Mombert, Hermann Hesse. Worte über Kubin, die hier mitgeteilt werden, stammen von Wilhelm von Hausenstein,' Hans Carossa, Ernst Jünger.

Was für ein anschauliches, im Detail richtiges und im Ganzen ausgewogenes Bild Kubins vermittelt doch diese Einleitung! Man bedauert erneut die unzulängliche, unseriöse Kubin-Publikation von Wolfgang Schneditz, die im Frühjahr in einem Wiener Verlag herauskam. Diese knappe, vornehme, sich auf Dokumente stützende Schilderung des Lebens. Leidens und Schaffens Kubins wäre die ideale Einleitung für einen Band ausgewählter Blätter aus Kubins Werk (auf den wir noch warten). Das Buch von Schneditz erfährt in einem Punkt im vorliegenden Werk, das sich im übrigen jeglicher kritischen Stellungnahme zu den angeführten Publikationen enthält, ausdrückliche Widerlegung. So schreibt Raabe: Die Reproduktionen im Schneditz-Bande „sind zum großen Teile, entgegen den Angaben des Autors, bereits veröffentlicht“ (S. 189).

An den Lebensabriß, der 60 Seiten umfaßt, schließt sich das ehronologische Werkverzeichnis. Es berücksichtigt nicht nur Mappenwerke, Bildbände, gedruckte Einzelgraphik, Erstrepodruktionen von Federzeichnungen, Buchillustrationen, sondern auch Gelegenheitsgraphik und sämtliche literarischen Veröffentlichungen; aus dem Verzeichnis letztgenannter entnehmen wir u. a„ daß Kubin häufig auf Rundfragen antwortete, die zum Teil recht kuriose Fragestellungen hatten: „Was ist Ihr unerfüllbarer Traum?“ (Kubin: „Mein Wunsch, einem Mondkalb zu begegnen, blieb bisher unerfüllt." Eine Antwort, die alle überflüssigen Rundfragen ad absurdum führt!), „Was halten Sie von der Kulturkrise?", „Sollen wir modern sein?“, „Glück oder Tüchtigkeit? Wovon hängt der Erfolg gewöhnlich ab?“, „Unzucht zwischen Männern? Zu § 297 StGB.“ — Dieses chronologische Werkverzeichnis enthält 778 Nummern auf 120 Seiten.

Dann folgt der bibliographische Lebensbericht, in

dem „die zu Kubin in Beziehung stehende Literatur systematisch verzeichnet" wird. Er faßt alle Zeitungsaufsätze, Rundfunkreportagen, Erwähnungen in Büchern, Wertungen und Würdigungen zusammen, die Persönlichkeit und Werk Kubins betreffen. Die Gründlichkeit (846 Nummern auf 130 Seiten) bietet hier schon fast zuviel des (nicht immer) Guten. Interessant ist die Feststellung, daß Kubin bereits in den Sprachgebrauch eingegangen ist. So werden in Grotesken, phantastischen Geschichten oder Romanen Bezeichnungen wie „kubinesk" und „kubinisch" nachgewiesen. In Publikationen, die auf ganz andere Gebiete Bezug haben, kommt Kubin als Vergleich oder Vorstellung vor (z. B. „Solches sah bislang nur die Phantasie eines Alfred Kubin").

Den Beschluß des Buches bilden alle nur möglichen Register, die Querverbindungen zwischen dem gebotenen Material herstellen. Stichproben (wie z. B. bei Franz Kafka) ergaben, daß die Registerangaben nicht in allen Fällen verläßlich sind. Was bei einem Buche, das hauptsächlich aus Zahlen und Daten be

steht, aber weder wundern noch ärgern darf. Auf jeden Fall liegt hier eine der bedeutendsten Publikätionen über Kubin vor. Sie ist weniger für den Laien als für den Kritiker gedacht, der sich ausführlich mit dem Werke Kubins und seiner Deutung auseinandersetzen will; diesem freilich ist sie kaum entbehrlich.

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