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Das Bild Claudels

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CLAUDEL. Von Faul-Andre L e s o r t. Eowoh 1t-Verlar. Monographien Nr. 95. 1964. Preis S.80 DM.

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CLAUDEL. Von Faul-Andre L e s o r t. Eowoh 1t-Verlar. Monographien Nr. 95. 1964. Preis S.80 DM.

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P. A. Les ort braucht dem deutschen Leserpublikum nicht vorgestellt zu werden. Ein Romanschriftsteller, wie L. Estang, A. Cayrol und G. Besus, dem tragischen Christentum eines Bernanos nahe verwandt, dessen bedeutende Werke bereits in deutscher Sprache vorliegen, hat Lesort nun in einem biographischen Essay versucht, sich mit der mächtigen Gestalt und mit dem die Zeit überdauernden Oeuvre Claudels auseinanderzusetzen. Der ihm zugewiesene Buchumfang erlaubte ihm nicht, eine ausführliche Biographie oder eine kritisch-wissenschaftliche Studie zu schreiben. Auf kaum 140 Seiten hat er aber etwas anderes, sogar Besseres gemacht: er hat ein- „unerschöpfliches Büchlein” verfaßt, das von der gesamten französischen Kritik als einer der aufschlußreichsten und einleuchtendsten Beiträge zur neueren Claudel- Forschung begrüßt worden ist. Denn Claudels Werk wird darin in den Rahmen des geistigen, menschlichen und religiösen Wegs des Dichters sorgfältig und einfühlsam zurückversetzt, so daß ein Bild Claudels entsteht, fern von jedem Konformismus wie von jeder banalen, billigen Kritik: eine objektive Würdigung, die keine blinde Huldigung ist. Denn sein Essay ist keine oberflächliche Skizze: Lesort hat, wie ein Claudelianer von Beruf, das ganze Oeuvre Claudels aufmerksam gelesen, studiert, beinahe „röntgenisiert”, und der Anhang der franzö- schen Ausgabe („Claudel par 1 u i m e m e’, Paris, 1963), der eine vierspaltige Bio-Bibliographie von 35 Seiten bildet, stellt den zum ersten Male aufgestellten, kritisch einwandfreien und jedem Claudelianer unersetzlichen Katalog sämtlicher Schriften Claudels dar.

Die deutsche Ausgabe, durch

Hella Schröter ausgezeichnet übersetzt, hat wohl einige Kürzungen (S. 8, 11) vorgenommen. Das Wesentliche bleibt aber erhalten. Der Herausgeber, Helmut Riege, hat sogar sowohl als Einführung (S. 8. mit Zitaten von E. R. Curtius), als auch mit einem aufschlußreichen Anhang (S. 136/173) die Bibliographie Lesorts vervollständigt und dem deutschen Leser angepaßt. Wie er es selbst ausdrücklich vermerkt, wollte er keine erschöpfende Dokumentation vorlegen: man vermißt nur weniges, zum Beispiel Stephan Zweigs Artikel über Claudel (März, Juni 1913), Franz Bleis Würdigung Claudels (Hyperion, 1910, Nr. 11). In der

Zeittafel hätte man darüber hinaus für die Jahre 1900/1905 (S. 137) die Erwähnung der verfehlten priesterlichen Berufung Claudels und des Liebesdramas im Fernen Osten gern gelesen sowie (S. 139) die der Uraufführung in der Berliner Staatsoper, 1930, von „Columbus”. S. 141 wird Camille, die ältere Schwester Claudels, als Bruder des Dichters bezeichnet; S. 121, stellt das Bild nicht Claudels Exemplar der Vulgata dar, sondern die Konkordanz der Heiligen Schrift im lateinischen Text;

endlich S. 88: Camille Claudel (1943) wurde nicht 1913 „beigesetzt” (enterrée), sondern in einer Heilanstalt „interniert” (internée). Dies sind aber winzige Details, die leicht zu korrigieren bzw. zu vervollständigen sind.

In seiner deutschen Fassung bleibt das Buch Lesorts, das selbstverständlich Claudels Kenntnis und Lektüre voraussetzt, eine der besten Einführungen in das Werk des Dichters.

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