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Dichter und Welt
CLAUDEL-STUDIEN. Von Universitätsprofessor Dr. Johann S o f e r. „Moderne Sprachen“, Schriftenreihe, Heft 3. Verband der österreichischen Neuphilologen, Wien, 44 Seiten.
Die beiden Themen, die Sofers Studien behandeln — Claudel und die Antike, soziologische Aspekte in Claudels Werken — waren bis jetzt im deutschen Sprach-raum beinahe unerforschtes Gebiet, und man muß dem Autor dankbar sein, die erste Erkundungsarbeit versucht und den Leser auf die wesentlichsten Belegstellen in den Schriften des Dichters hingewiesen zu haben, Claudel hat sich sein ganzes Leben lang mit der Antike befaßt und besonders Homer, Aischylos und Vergil gehuldigt. Es bleibt immerhin die Frage offen, ob der claudeische Mensch — insofern ihn St. Adlibitum symbolisch verkörpert, der am Ende der ersten Szene des dritten Tages des Seidenen Schuhs mit den kaum veränderten Worten von Goethes Mignon seine Sehnsucht nicht nach Rom oder Hellas, sondern nach dem biblischen Osten des verlorenen Eden zum Ausdruck bringt — das antike Ideal menschlichen Maßes und den griechischen Kanon der Ästhetik annimmt oder prinzipiell verwirft...
Sofers Enquete über die „soziologischen Aspekte“ in Claudels Schaffen war und bleibt eine undankbare Aufgabe. Claudel hat bekanntlich keine besondere Geistesschärfe und zeitnahe Aufgeschlossenheit auf diesem Gebiet an den Tag gelegt, und er dürfte nicht als Soziologe und sogar niebt einmal als besonders sozial denkender christlicher Dichter in die Geschichte eingehen. Zwei „soziologische“ Aspekte der claudeischen Gedankenwelt verdienten immerhin nicht nur erwähnt, sondern ausführlich analysiert zu werden: die „anarchistischen“ Wünschträume des Studenten Claudel und die Gesellschafts- beziehungsweise Geschichtsphilosophie des zur Reife gelangten Dichters, der in seiner historischen Theatertrilogie (Otage, Pain dur, Pere humilic) die unabwendbare Vergänglichkeit gewisser Gesellschaftsformen und sozialer Schichten fast kalten Hirzens zur Schau stellt Sonst liefert Sofers Studie auch hier dem interessierten Leser einen aufschlußreichen Quellennachweis.
Andri Espiau de La Maestre
AUS DEM WÜSTENSAND wurden jene antiken Mumienbildnisse im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts geborgen, welche einst den im Zeitraum vom 1. bis zum 4. Jahrhundert mumifizierten Toten einer christlichen Gemeinde beigegeben wurden. Um 392 endete diese,- in der äußeren Form vom altägyptischen Totenkult entlehnte Brauch, als das Mumifizieren durch ein Edikt des Theodosius als heidnisch verboten wurde. Das soeben erschienene Bilderbuch des SchroH-Verlags, Wien-München („Porträts aus dem Wüstensand. Die Mumienbildnisse aus der Oase Fayum“. Von Hilde Zaloscer. 112 Seiten mit 56 Bildtafeln, darunter 12 färbigen. 156 S.), würdigt zum erstenmal die künstlerische und theologische Bedeutung der Mumienporträts. Das obenstehende Bildnis einer „jungen Frau mit Coldkranz im Haar“ (British Museum) und die übrigen Bilder des Bandes sind, nach der wissenschaftlich fundierten Ansicht der Autorin, Darstellungen „auferstandener Seelen auf dem Weg zum Paradies“.
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