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Monumentale Frauengeschichte

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Mit „Geschichte der Frauen im Bild" ist das ambitionierte Projekt „Geschichte der Frauen" abgeschlossen. Eine wissenschaftliche und editorische Großtat. Ermöglicht durch ein Abkommen zwischen der Wissenschaftsstiftung „Maison des Sciences de l'Homme" und dem Frankfurter Campus-Verlag. Georges Duby, Mitglied der Aca-demie francaise und einer der renommiertesten französischen Historiker, und die Zeitgeschichtlerin Michele Perrot von der Universität haben ein hochkarätiges Wissenschaftlerteam (vorwiegend weiblich) zusammengestellt, das so ziemlich alle Facetten der Geschichte der Frauen von der Antike bis herauf in unsere Tage durchleuchtet. Das letzte Kapitel von Band fünf beschäftigt sich mit „Fortpflanzung und Bioethik".

Diese fünfbändige „Geschichte der Frauen" - pro Ausgabe zwischen 600 und 700 Seiten dick - und der Bildband gehören in jede öffentliche Bibliothek. Damit sind wir beim springenden Punkt. Ankaufbudgets halten nicht einmal mit der Inflationsrate mit. Können privatwirtschaftlich organisierte Verlage mit ihrer Kalkulation auch in Zukunft die Verfolgung derartiger Projekte riskieren? Auch die Geisteswissenschaften an den Universitäten sind nicht die erste Adresse für Sponsoren, sondern auf öffentliche Budgets angewiesen. Forschung kostet Geld. Eine Binsenweisheit. Woher soll es kommen, wenn Verlage rechnen müssen, Bibliotheken zwar kaufen möchten, aber der sprichwörtliche Zwirn ist zu kurz?

Als Leser freut man sich natürlich klammheimlich, wenn man den Ka-pazundern Fehler nachweisen kann: Im Band fünf über das „20. Jahrhundert" findet sich auf Seite 388 eine „Amerikanerin" namens „Meret Oppenheimer", die die legendäre pelzüberzogene Tasse geschaffen haben soll. In „Geschichte der Frauen im Bild" lesen wir dann auf Seite 164 völlig korrekt von „der schweizerischen Surrealistin Meret Oppenheim". Derartige kleine Ungenauigkeiten fallen wirklich nicht ins Gewicht und mindern um kein Gramm das Gesamtgewicht.

„Der Historiker, der sich bemüht, dem Realen nahezukommen, muß herausfinden, welches Maß an Realismus jede Epoche von ihrer Bilderwelt verlangt", schreibt Duby (er hat auch die fünfbändige „Geschichte des privaten Lebens" herausgebracht) in seinem einleitenden Essay über „Frauenbilder". Auf der Seite 39 finden wir eine Abbildung der Venus von Willendorf, wobei ausgegangen wird, daß ein „Steinmetz" die altsteinzeitlichen Fruchtbarkeitsidole geschaffen habe. Wenn in diesem Monumentalwerk Bestreitbares auftaucht, dann ist es immer lesbar und lesenswert.

Michelle Perrot verweist in ihrem Aufsatz „Die Frauen und ihre Bilder1 oder der Blick der Frauen" darauf: „Die Vermehrung der Bilder aller Art bis hin zu ihrer Explosion im 19. Jahrhundert (...) hatte widersprüchliche Auswirkungen, da sie sowohl die Prägnanz der Modelle und Normen als auch die Möglichkeiten der Identitätssuche steigerte". Angeblich hat die Herzogin von Windsor einmal gemeint, „eine Frau kann nie reich und dünn genug sein". Das Schlankheitsideal nach Twiggy wird als „extreme Bilderfalle" ausgewiesen.

Fragen der Fremd- und Selbstbestimmung ziehen sich durch. Die Entwicklung von gesellschaftlichen Rollenbildern und Rollenzuweisungen ist ein zentrales Themas der „Geschichte der Frauen" insgesamt. Durch Bilder werden neue Zusammenhänge und Blicke darauf geschaffen. Im Bildband auf Seite 117 die ikonographische Gegenüberstellung von Francois Dubois „Die Bartholomäusnacht" mit der „Madonna der Barmherzigkeit" aus dem Tym-panon der Kirche von Ptujska Gora (Pettau/Slowenien). Hie die unzähligen hilfesuchende Menschen unter der Obhut der Schutzmantelmadonna und dort auf dem Tafelbild die genaue Umkehrung. Aus Maria, der Tröstenden wird Katharina, die Mordende. Damit, heißt es im Text, „vern sucht der hugenottische Maler Francois Dubois nicht nur das uralte Bild der mütterlichen Jungfrau Maria zu stürzen, sondern stellt ,die schwarze Königin' auch eindeutig als die gefühlskalte Inkarnation eines mörderischen Staates dar".

Michelle Perrot meint abschließend: „Um die Bilder zu verändern, müßte man sich ihrer bemächtigen. Diese weibliche Eroberung der Bilder, die weniger bekannt ist als die Schrift, auch schwieriger, nach der leidvollen Lebensgeschichte von Ca-mille Claudel zu urteilen, muß zum größten Teil noch geschrieben werden". Bedeutende Vorarbeit ist geleistet. Diese Bücher erreichen sowohl beim Layout als auch Druck Spitzenqualität. Eine vorzügliche Arbeit.

GESCHICHTE DER FRAUEN

Herausgegeben von Georges Duby und Michelle Perrot

Campus Verlag, Frankfurt/M. 1995. Band 5, 600 Seiten, Ln., öS 609-

GESCHICHTE DER FRAUEN IM BILD

Von Georges Duby, Michelle Perrot Campus Verlag, Frankfurt/M. 1995. 189 Seiten, Ln, öS 765.-

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