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Ein Votum für Mahler
Dem Entschluß der Wiener Konzerthausgesellschaft, in den Mittelpunkt ihres XIII. Internationalen Musikfestes die Aufführung des Gesamtwerkes von Gustav Mahler zu stellen, liegen zwei Überlegungen zu Grunde. Zunächst die näherliegende, daß nämlich Mahler im letzten Dezennium in der ganzen Welt zu einem der Fixsterne ar Komponistenhimmel wurde und eine immer stärkere Faszination auf das Konzertpublikum aller Kontinente auszuüben scheint, während man in Österreich noch immer mit etwas Unbehagen feststellt, daß er geistig nicht in jenen musikalischen Raum eingeordnet werden kann, in welchem er zeitlich steht: zwischen Bruckner und die Wiener Schule. Die zweite Überlegung war die, daß die junge, nach vorne drängende Dirigentengeneration ein um so stärkeres Interesse für Gustav Mahler bekundet, je seltener die alten Mahlerherolde, zu deren letzten etwa Klem-perer zu zählen ist, in unseren Tagen werden; während die mittlere Dirigentengarnifcur, die heute 45- bis 60jährigen, Mahler nur oberflächliches Interesse entgegen zu bringen scheint, erliegen die Jüngeren der Faszination dieses seltsamen Mannes und sehen in seiner Musik den Wurzelboden alles Neuen.
Wir haben bei unserem bevorstehenden Mahler-Fest die Möglichkeit, Mahler durch berufene Interpreten auf seine Fündigkeit, also auf seine Zeitlosigkeit hin prüfen zu lassen. Vielleicht ist es nicht übertrieben, wenn man behauptet, daß er vom bevorstehenden Musikfest der Wiener Konzerthausgesellschaft entweder in die Reihe der ganz großen Komponisten dieser Welt gestellt werden wird — oder aber ad acta gelegt zu den zwar für ihre Zeit unerhört bedeutungsvollen, aber für die Nachwelt nicht mehr signifikanten Erscheinungen der Kunst. Wären wir nicht der Überzeugung, daß ersteres zutrifft, hätten wir uns die Aufgabe, die wir nun lösen müssen, nicht gestellt. Da wir sie uns aber gestellt haben, müssen wir auf alle möglichen Resultate vorbereitet sein. Wir hoffen, daß das Votum für Mahler ausfallen und daß es einhellig sein wird.
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