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Von Kalischt an die Hofoper
In der österreichischen Gesellschaft für Musik präsentierte Kurt Blaukopf seine kürzlich erschienene Dokumentarbiographie „Mahler“. Fünf Jahre lang hat er an dem großen, reich illustrierten Buch gearbeitet und Material aus etwa 20 Städten zusammengetragen. Seit mehr als 30 Jahren beschäftigte sich Blaukopf mit dem Werk und der Biographie Gustav Mahlers, über den er bereits 1969 eine Monographie veröffentlicht hat. Blaukopf ist Vorstand des Institutes für Musiksoziologie an der Hochschule für Musik und bildende Kunst, Honorarprofessor an der Universität Wien, Mitglied des Exekutivkomitees der UNESCO und Vizepräsident der internationalen Gustav-Mahler-Gesellschaft.
In der österreichischen Gesellschaft für Musik präsentierte Kurt Blaukopf seine kürzlich erschienene Dokumentarbiographie „Mahler“. Fünf Jahre lang hat er an dem großen, reich illustrierten Buch gearbeitet und Material aus etwa 20 Städten zusammengetragen. Seit mehr als 30 Jahren beschäftigte sich Blaukopf mit dem Werk und der Biographie Gustav Mahlers, über den er bereits 1969 eine Monographie veröffentlicht hat. Blaukopf ist Vorstand des Institutes für Musiksoziologie an der Hochschule für Musik und bildende Kunst, Honorarprofessor an der Universität Wien, Mitglied des Exekutivkomitees der UNESCO und Vizepräsident der internationalen Gustav-Mahler-Gesellschaft.
In seinem ersten Buch mit dem Titel „Gustav Mahler — der Zeitgenosse der Zukunft“ hat Blaukopf mehr seine eigenen- Anschauungen und Deutungen zum Thema zusammengefaßt. Jetzt legt er die Belege vor: Bilder, Photographien, Programmzettel und Texte, und zwar ausschließlich aus der Zeit Mahlers (mit Ausnahme seiner eigenen Kommentare). Vieles wird hier zum ersten Mal veröffentlicht, und es geschieht ohne jede „Tendenz“, so wichtig dem Autor auch sein Gegenstand ist. Von den bescheidenen Verhältnissen, aus denen Mahler kam, hat man schon viel gehört und gelesen. Hier sehen wir das böhmische Kalischt im Bilde, wo Mahlers Vater Likör herstellte und diesen auch selbst ausschenkte. Bald übersiedelte die große Familie (Mahler hatte 12 Geschwister) nach Iglau. Dort wurde die für Musiker typische Frühbegabung Mahlers entdeckt und eifrig gefördert.
Alle diese Stationen werden in dem vorliegenden Bildband reich und auf die mannigfaltigste Weise illustriert und dokumentiert. Natürlich steht Mahler immer im Mittelpunkt, aber auch die Zeit, eine ganze Epoche, spiegelt sich in dem Werk. Mahlers ganzes Leben fällt in die Regierungszeit Kaiser Franz Josephs, und Wien war nicht nur die Haupt-und Residenzstadt der Monarchie, sondern auch das Zentrum der neuesten Kunstbestrebungen. Vor allem suchte und fand er bald Kontakt zu den führenden Mitgliedern der Se-cession:' zu Klimt, Kolo Moser, Hoffmann, Alfred Roller und anderen. In Roller fand Mahler den kongenialen Bühnenbildner, mit dessen Hilfe er einige exemplarische Aufführungen an der Hofoper realisierte. Sein „Tristan“ scheint den Neubay-reuther Stil Wieland Wagners vorwegzunehmen (vielleicht kannte Wieland Wagner auch die Bühnenbilder Rollers). Zur Secession gehörte auch Carl Moll, der 1902 Mahlers Schwiegervater wurde. Vor allem durch die Lebenserinnerungen und das Mahler-Buch von Alma Schindler-Mahler-Werfel sind wir über die Zeit in Wien ziemlich gut, wenn auch nicht immer ganz genau, unterrichtet.
Einige weiße Flecke in der Biographie Mahlers hat Kurt Blaukopf durch die Mitarbeit von Zöltan Roman, Professor an der Universität Calgary in Kanada, mit Daten und Fakten ausfüllen können: die Budapester Jahre und Mahlers Tätigkeit in Amerika. Seine erste Reise in die USA unternahm Mahler Ende 1907, als seine ältere Tochter Maria Anna gestorben und er als Hofoperndirektor zurückgetreten war. Seit Anfang 1911 arbeitete Mahler an der Metropolitan Opera Company New York, dirigierte auch die New Yorker Philharmoniker und verbrachte den Sommer immer in Österreich. Nachdem die Villa Maiernigg am Wörthersee verkauft worden war, wo Mahler die Symphonien 5 bis 7 geschrieben hatte, verbrachte er die Sommermonate der Jahre 1908, 1909 und 1910 in einem Südtiroler Bauernhaus in Toblach, wo die letzten Werke entstanden: die Neunte, „Das Lied von der Erde“, das Mahler aber nicht mehr hören konnte, und die Fragmente der 10. Symphonie.
Studiert man den Textteil (Seiten 145 bis 280) dieser Dokumentarbiographie genau, so bekommt man den Eindruck, daß Mahler, der weltfremde Träumer und Romantiker, sehr realistisch dachte und zielbewußt agierte, wenn es um seine persönliche Position ging. Da ließ er alle Beziehungen spielen und setzte alle Hebel in Bewegung. Er gesteht auch offen, daß sein Ziel immer die Wiener Oper gewesen sei. Bei allen seinen Unternehmungen hat Mahler eigentlich viel Glück gehabt und ist auf keine nennenswerten Widerstände gestoßen. Daß man über seine Eingriffe in die Instrumentation klassischer Werke geteilter Meinung war, ist nur natürlich, und daß er als Wiener Opemdirektor ins Kreuzfeuer der Kritik geriet und Feinde hatte — das war und blieb so bis auf den heutigen Tag und gehört sozusagen dazu. Trotz seiner so faszinierenden Persönlichkeit ist die Mahler-Literatur, soweit es sich um Biographisches handelt, sehr spärlich. Durch das Buch von Blaukopf wird hier eine echte Lücke geschlossen.
MAHLER. Sein Leben, sein Werk und seine Welt in zeitgenössischen Bildern und Texten. Von Kurt Blaukopf, mit Beiträgen von Zol-tän Roman. Universal-Edition, 287 Seiten, 365 Abbildungen, davon 37 in Farbe, Preis öS 790,—.
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