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Angst vor dem Taumel
Er hat sich jahrlang davor gescheut, Mahler zu begegnen; sogar dessen „Fünfter“ (cis-Moll), die so etwas wie einen Einstieg in die Welt dieses Meisters der Resignation, der Weitentsagung und Melancholie bedeutet. Aber für ihn bedeuteten diese Jahre doch eine Konzentration auf Mahlers symphonisches Oeuvre, ein Neudenken dieser fremden Klangwelt, die er sich mit Pingerübungen, etwa an Schönbergs „Verklärter Nacht“ langsam, Schritt für Schritt, erobert hat.
Nun dirigiert Herbert von Karajan Mahler. Er hat sich damit gleich in die erste Reihe der Großen gestellt. Die Aufführung mit den Berliner Philharmonikern im Großen Salzburger Festspielhaus war eine technisch makellose Aufführung, eine musikalische Eruption von packender Eigenart. Aber in Mahlers himmelstürmenden Gestus, in seinen Mut, sich in Melancholie und Traum zu verlieren, der Welt abhanden zu kommen, hat er sich noch nicht so recht einfühlen können.
Allerdings ist Karajan auf dem besten Weg, ein sehr eigenständiges
Mahler-Bild zu entwickeln. In seiner Interpretation klingt die „Fünfte“ schlank, ist klar geformt, übersichtlich in der Darstellung der kompliziert verschränkten, stark kontrastierenden Teilabschnitte, die zum wohlproportionierten Riesenwerk verbunden werden. Er hat den Atem, die weitverspannten kontrapunktischen Spannungsverhältnisse ungemein korrekt darzustellen, ohne daß einen Moment Mahlers Eklektizismus spürbar würde. Aber im Beschwören der Atmosphäre dieser Symphonie schreckt er noch ein wenig zurück, sich gleichsam an die Welt zu verschwenden.
Dennoch sollte Karajan diesen Weg weitergehen. Mit den Aufführungen der „Siebenten“ und „Neunten“ etwa. Und wir sind heute schon sicher, daß er Mahlers Welt schließlich mit mehr Überzeugungskraft erschließen wird als alle, die sich dieser Musik im Taumel nähern und Mahlers Sehnsucht nach der Ekstase in der Selbstverschwendung totaler Hingabe zu erzwingen suchen.
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