Lektüre - nicht nur zur Sommerzeit. Religiöse Sachbuchtipps vom Streifzug durchs jüdische Wien bis zur Darstellung der kleinen Religionen Europas.
Nein, es handelt sich nicht um einen Reiseführer. Obwohl Christof Habres lesenswerter Streifzug "Jüdisches Wien“ auch als solcher herhalten kann. Denn obwohl die jüdische Gemeinde heute - verglichen mit den Muslimen oder den orthodoxen Christen - in der Stadt eine kleine Minderheit darstellt, begegnet man dem Judentum auf Schritt und Tritt. Durch dieses jüdische Wien liefert der Autor Spaziergänge, klärt in gekonnter Lakonie über die jüdische Geschichte auf und würzt das Ganze mit Porträts bekannter Jüdinnen und Juden - von der Museumsdirektorin Danielle Spera über den Banker Rudolf Scholten bis zu Hilde Zadek, der Sängerinnen-Legende hoch in den Neunzigern. Ein Buch zum Hineinlesen und -schnuppern in ein halb vergessenes und verlorenes Milieu, das dennoch von Vitalität zeugt. Geschichte wie Moderne will der Journalist und Galerist Christof Habres hier verbinden. Das ist ihm zweifelsohne gelungen.
Die Gewaltfrage in den Religionen
Theologisches der anderen beiden Monotheismen liefert der Band "Glaubensgewissheit und Gewalt“, in dem "Eschatologische Erkundungen in Islam und Christentum“ angestellt werden. Das Nahen des Jahrestags von 9/11 oder auch das ideologische Unterfutter des Attentäters von Norwegen schreit nach gründlicher Auseinandersetzung mit den Jenseitsvorstellungen der beiden Religionen und der damit einhergehenden Apokalyptik. In dem vom Münsteraner Fundamentaltheologen Jürgen Werbick und dem Orientalisten Sven Kalisch mit herausgegebenen Band äußern sich kompetente Vertreter beider Religionen - darunter FURCHE-Autor Mouhanad Khorchide mit einer reformislamischen Lesart. Dass das Thema natürlich nicht nur in einer harmonisierenden Betrachtungsweise abzuhandeln ist, wird spätestens bei der - respektvollen - Erwiderung der christlichen Theologin Anja Middelbeck-Varwick auf eine "Friedenstheologie“ wie sie der Hamburger schiitische Ayatollah Ghaemmaghami in seinen Beitrag versucht, offenbar. Eine unaufgeregte wissenschaftliche Auseinandersetzung.
Einmal mehr: Missbrauchskrise
Ein mehr als brisantes Kapitel der katholischen Auseinandersetzung greift der Band "Hände weg! Sexuelle Gewalt in der Kirche“ auf, der vom langjährigen ZDF-Redaktionsleiter Michael Albus und dem Arzt und Psychotherapeuten Ludwig Brüggemann editiert wurde. Beide Herausgeber haben auch Theologie studiert, es gelang ihnen, in diesem Band wesentliche Stimmen aus der kirchlichen Diskussion zum Thema zu versammeln - darunter den deutschen Jesuitenprovinzial Ignaz Kiechle, den irischen Pastoraltheologen Eamonn Conway sowie den emeritierten australischen Bischof Geoffrey Robinson, der ob seiner weitgehenden Einsichten zur Überwindung der Missbrauchskrise auch in Rom aneckte. Der kritische Grundtenor des Bandes, was den Umgang der Kirche(nleitung) mit den aufgeworfenen Fragen betrifft, ist ja durchaus angebracht: eine ebenso lesenwerte wie erhellende Kompilation .
Informatives über die "Kleinen“
Eine Religionskunde der "Kleinen Religionen Europas“ liefert der gleichnamige Band von Manfred Böckl. Manche Konfessionen wie die Zeugen Jehovas oder die im Iran verfolgten Bahai geistern durch die Medien, ohne dass deren Rezipienten über diese Grundlegendes wissen. Dem versucht das knappe Buch abzuhelfen. Der Autor teilt seine Darstellungen in Religionen mit jüdisch-christlichen Wurzeln (darunter Waldenser, Hussiten, Baptisten, aber auch Altkatholiken), einen islamischen Religionskreis mit so unterschiedlichen Gruppen wie den Aleviten oder Salafisten und schließlich auch modernen "heidnische“ Strömungen wie ein wiederentdecktes Keltentum. Eine vielleicht etwas willkürliche Auswahl, aber eine sehr informative Darstellung.
" Das Nahen des Jahrestags von 9/11 schreit nach gründlicher Auseinandersetzung mit Jenseitsvorstellungen und Apokalyptik der monotheistischen Religionen. “
