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Konservativer Aufruhr in Chile?

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„Schwere Spannung zwischen Argentinien und Chile“ — „Kriegsschiffe zur Aktion bereit“, las man in der Presse. Im Beaglekanal im Süden von Feuerland, hatten chilenische Kriegsschiffe ein panamesi-sches Schiff gezwungen, nur einen chilenischen Lotsen an Bord zu nehmen und einem argentinischen Fischerboot <cfie Netze weggenommen, die es 600 Meter vor der argentinischen Insel Gable ausgeworfen hatte. Drei chilenische Kriegsschiffe lagen tagelang drei argentinischen gegenüber. Die argentinische Regierung verglich die chilenische These, nach der die argentinische Grenze am südlichen Ufer des Feuerlandes ende, mit der Haltung Ägyptens, als es den Golf von Akaba sperrte, da der Beaglekanal die einzige Zufuhrstraße für die argentinische Stadt Ushuaia ist und protestierte in zwei energischen Noten: Der Beaglekanal gehöre beiden Staaten; seit Jahren solle der Internationale Gerichtshof in Den Haag über diese Frage entscheiden. Der chilenische Präsident Dr. Frei hielt eine eilige Sitzung mit Ministern und Völkerrechtlern ab. Dann rief er seine Kriegsschiffe zurück. „Der Zwischenfall ist beigelegt.“

Lautes Echo in der Presse

Aber es schien nur so. In Chile erließ die „Nationale Partei“ — aus

„Konservativen“ und .Liberalen“ gebildet — eine scharfe Proklamation, in der sie die Stärkung des Heeres und eine härtere Politik Argentinien und Bolivien gegenüber verlangte. Gleichzeitig erschien im „Journal do Brasil“ — Rio de Janeiro — ein Artikel, nach dem das chilenische Experiment einem melancholischen Ende entgegensehe, da der Staatspräsident Frei auf den demagogischen Fußstapfen des früheren brasilianischen Präsidenten Joäo Gou-lart wandle und — wenn er nicht schnell mit Hilfe des Heeres zu einem festeren Kurs übergehe — dessen Schicksal erleiden würde.

Der „Pseudoreformator“

Dr. Frei wird von allen Seifen — mit legitimen und mit ülegitimen Mitteln — bestürmt. So hat die Regierung gegen den sozialistischen Senator Carlos Altamirano Strafantrag gestellt, weil er den Präsidenten Frei in einer Druckschrift als unfähig oder Verräter bezeichnet und — nach seiner Rückkehr aus Kuba — die chilenischen Studenten zum Freischärlerkampf aufgerufen hatte. Die christdemokratische Regierungspartei, die vorher gegen eine Niederlassung der lateinamerikanischen castroistischen Solidaritätsorganisation „O. L. A. S.“ keinen Einspruch erhoben hatte, faßte einen scharfen Beschluß gegen die grobe

ausländische Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chiles, nachdem in der Schlußerklärung der kürzlich in Havanna stattgefundenen O. L. A. S.-Konferenz Frei als „Pseudoreformator“ bezeichnet worden war, der in keiner Weise die Lage des verschuldeten und mehr denn je von den Monopolen ausgeraubten Landes verbessert habe.

Inwieweit das Vorgehen der chilenischen Rechten die Hochverratsanklage rechtfertigt, mag zweifelhaft sein. Die innerpolitische Situation ist sehr kompliziert. Es bahnt sich ein Bündnis zwischen der antiklerikalen Mittelpartei (den „Radikalen“) und der „F. R. A. P.“ (Volksfront) an, während sich auch die Regierungspartei radlbalisiert. So kann Doktor Frei die Provokation der Rechten dazu ausnutzen, die Bildung einer neuen Einheitsfront zu versuchen.

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