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Zwischen Lienz und Franzensfeste

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Das Pustertal ist die West-Ost-Verbindung Südtirols von Franzensfeste über Innichen nach Lienz. Die Staatsgrenze läuft seit 1920 zwischen Arnbach auf österreichischer Seite und Vierschach auf italienischer Seite. Das Pustertal wird durch die Toblacher Wasserscheide in zwei klimatisch verschiedene Teile getrennt, und zwar durch die Rienz, die im Höllensteintal entspringt, das Pustertal durchfließt und bei Brixen in den Eisack mündet, und anderseits die Drau, die am Toblacher Feld entspringt, durch Ostirol, Kärnten und durch Jugoslawien fließt und sich in die Donau ergießt.

Das Pustertal macht seinem Namen (vom slawischen pust = leer, öde) keine Ehre, denn es ist nicht nur eines der holz- und viehreichsten Täler Südtirols (es werden rund eine halbe Million Kubikmeter Holz jährlich ausgeführt und rund 60.000 bis 70.000 Rinder auf den Markt gebracht), sondern es umfaßt mit seinen Nebentälern, dem Valsertal, dem Pfunderertal, dem Gadertal mit Enneberg, dem Tauferertal, dem Gsiesertal, Pragsertal und Antholzertal gut ein Fünftel des ganzen Südtiroler Lebensraumes und ist auch am Fremdenverkehr hervorragend beteiligt.

Funde aus der Bronze- und Eisenzeit beweisen, daß das Pustertal schon in vorgeschichtlicher Zeit bewohnt war. Die ersten Bewohner dürften Illyrer gewesen sein, von den Römern wurde die Bevölkerung „Saevates“ genannt, welcher Name wohl auf die römische Siedlung „Seva-tum“ (das heutige St. Lorenzen) zurückzuführen sein dürfte. Im 16. Jahrhundert vor Christus wurden die Illyrer von den Kelten abgelöst und vermischten sich mit ihnen. Unter Augustus drangen die Römer in das Gebiet ein und verleibten es als einen Teil der Provinz Noricum dem römischen Reiche ein. Die römische Herrschaft dauerte rund 400 Jahre; in diese Zeit fällt auch die Verbreitung des Christentums und die Assimilierung der Ureinwohner mit den nachfolgenden Bewohnern. Noch mehrere Jahrhunderte nach dem Verfall des Römischen Reiches erhielt sich das Lateinische als Amtssprache; erst im 13. Jahrhundert wurde es vollkommen durch die deutsche Sprache ersetzt. Schon in dieser Zeit führte durch das Pustertal die große Handelsstraße von Aquileia über den Brenner nach Augsburg. Im 5. Jahrhundert drangen die Goten ein, denen bald die Bajuvaren folgten, die ungefähr bis Bozen vorstießen. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts sickerten von den Goten her einzeln auch Slawen (Windische) ein; 2um Schutze gegen sie und wohl auch, um diese Völker zum Christentum zu bekehren, gründete Herzog Thassilo von Bayern im Jahre 769 das Kloster in Innichen.

Durch diesen Anschluß an das germanische Reich kam das Pustertal zuerst zum Herzogtum Bayern, später unter die Herrschaft des Bischofs von Brixen und erlebte in dieser Zeit einen raschen Aufstieg. Schon im 13. Jahrhundert wurde die Hauptstadt Bruneck vom Bischof Bruno von Brixen gegründet; im 14. Jahrhundert wurde die Stadt Sitz eines eigenen Gerichtshofes, der auch höhere Instanz für die umliegenden Landgerichte war.

Kulturgeschichtlich kann das Pustertal auf eine reiche Vergangenheit zurückblicken, woran noch heute die alte Burg von Rodeneck, das Schloß von Ehrenburg im Besitze der Grafen Künigl und die Ruine Michelsburg bei Sankt Lorenzen zeugen; am anderen Ufer der Rienz ragt auf einem Felsen das Kloster Sonnenburg, in dem die Nonnen häufig in Fehde mit dem Bischof von Brixen lagen (Aebtissin Verana).

Das Brunecker Schloß ist heute noch der Sommersitz der Bischöfe von Brixen; während sich die Schlösser im Tauferertal — Neuhaus, Kehlburg und Taufers — in privaten Händen befinden. In Welsburg sitzt heute noch das Geschlecht der Grafen von Welsburg, während das Toblacher Schloß bis in die jüngste Zeit vom Geschlecht der Grafen Bossi-Fedrigotti bewohnt wurde.

Die Hauptstadt Bruneck ist reich an kulturellem Besitz und an historischer Vergangenheit. Eine ganze Reihe namhafter Schriftsteller und Dichter hat Bruneck zur Heimat, so Professor Anton Müller (Bruder Willram), Josef Seeber, Georg Harraser SJ., Professor Josef Neumayr, Paul Tschurtschenthaler. Hier hat auch Hermann von Gilm seine Blüte erlebt und Pater Gaudenzius Koch seine innigen Marienlieder gedichtet. Mit dem Namen Bruneck sind auch die Namen der Brüder Michael und Friedrich Pacher verbunden.

In napoleonischen Feldzügen war das Pustertal mehrmals Kriegsschauplatz; die Mühlbacher Klause gibt heute noch Zeugnis von diesen Kämpfen; Peter Siegmayer, der Tharerwirt von Mitterolang, Anton Keil und Johann Jäger als Schützenhauptmann von Niederndorf sind als Blutzeugen für das Tirolertum in die Geschichte eingegangen.

Das Pustertal ist heute noch das deutscheste aller Südtiroler Gebiete. So gab es bei der letzten Kammerwahl in Pfalzen nur sechs italienische gegen 599 deutsche Stimmen, in Percha 4:481, in Prags 12:372, in Mühlwald 15:745, in der großen Gemeinde St. Lorenzen 54:1280 und in der Hauptstadt Bruneck 195 italienische gegen 1291 deutsche Stimmen.

Aus diesen amtlichen Daten ist zu ersehen, daß das Pustertal zu 80 bis 90 Prozent deutsch ist, und es wird wohl auch in Hinkunft so bleiben, denn auch die Besitzverhältnisse sind entsprechend: rund 90 Prozent deutscher Besitz und rund 70 Prozent des Kapitals ist in deutschen Händen. Der Handel ist zu zwei Drittel in deutschen Händen.

Im Gesamtbild Südtirols ist das Pustertal kulturell, historisch und wirtschaftlich gesehen einer der Eckpfeiler gegen die italienischen Unterwanderungsversuche. Lediglich in zwei Gemeinden, Innichen und Franzensfeste, herrscht eine italienische Mehrheit. Sie ist mit den Eisenbahnern und dem Militär zu erklären und hat mit der ursprünglichen Bevölkerung nichts zu tun.

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