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Die erste Oper im neuen Haus

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Seine Eignung für die Wiedergabe intimer Kammeropern bewies das Grazer Schauspielhaus bei der vierten Premiere im Rahmen der Eröffnungsvorstellungen. Das Gemisch aus den verschiedensten Stilelementen, das für Strauss-Hofmanns-thals „Ariadne auf Naxos“ charakteristisch ist, die filigrane Durchsichtigkeit der Partitur und die schwelgerische Klangpracht der Schlußszene — das alles kam in der Grazer Neuinszenierung aufs schönste zur Geltung und fand seinen rechten Platz im klassizistischen Halbrund des Schauspielhauses. Berislav Klobutar führte das kleine Orchester und die Solisten mit delikater Akkuratesse und lebhaftem Temperament. Der Regisseur Andre Diehl verlängerte sozusagen den Zuschauerraum auf die Bühne und bezog umgekehrt die Proszeniumslogen in das Spiel mit ein. Es lag viel Atmosphäre in dem lockeren, leichtfüßigen Ablauf der Handlung —> nicht zuletzt auch zufolge der Bühnengestaltung Skalickis und der schönen Kostüme Edith Pfitz-ners. Die Commedia-dell'arte-Szenen hatten entzückende Leichtigkeit und Aisance in ihrer reizenden Verspieltheit, der mythologische Anteil strahlte in barocker Festlichkeit. Bozena Ruk-Foltt war als Ariadne prächtig anzusehen und glänzte durch Leuchtkraft ihrer schönen Stimme; eine Entdeckung stellt die junge Amerikanerin Valory Goodall in der Partie des Komponisten dar mit ihrem degagierten Spiel und dem sympathisch timbrierten Sopran; vorzüglich auch das Quartett der Commedia-Figuren.

Nestroys „Unbedeutender“ kann weder durch seine besonders griffige Handlung noch wegen seines sozialen Aspektes übermäßiges Interesse erregen. Aber diese Posse ist dafür gesegnet mit einer übersprudelnden Fülle von Aphorismen, von satirischen Apercus voll lächelnder und bissiger Weisheit. Dieses fast unaufhörliche Blitzen und Funkeln der Wortspiele und Bonmots ins rechte Licht gerückt zu haben, ist das Verdienst der vorzüglichen Regie des Nestroy-Spezialisten Helmuth Ebbs, den sich Graz nach Jahren zu seinem Theaterfest geholt hatte. Der Stil der Aufführung mit seiner unaufdringlichen Verfremdung ist gewiß nicht neu, aber was da an Anti-illusionismus und stärkster Konzentration auf das Wort zustande kam, war von so spielerischer Leichtigkeit, Selbstverständlichkeit und Krampflosigkeit, daß man an dem Abend seine helle Freude haben konnte — dies um so mehr, als auch das Ensemble in blendender Spiellaune war. Der Träger der Titelrolle, Rudolf Buczolich, ist ein begabter Nestroy-Spieler, der durch seine schlichte Natürlichkeit besticht und mit dem gewissen Quentchen Melancholie dem Typus Josef Meinrads nicht ganz unähnlich ist.

Mit dem großartigen „Hamlet“, der Strausschen „Ariadne“ und diesem bedeutenden „Unbedeutenden“ hat das Grazer Schauspielhaus jedenfalls fürs erste ein Programm beisammen, das berechtigterweise seine Zugkraft aufs Publikum noch längere Zeit hindurch ausüben wird.

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