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GERHARD HERING / PLÄDOYER FÜR GRILLPARZER

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Als im Dezember 1965 in den Räumen des Unterrichtsministeriums nach einer Laudatio Universitätsprofessor Dr. Heinz Kindermanns, dem Leiter des Theaterwissenschaftlichen Institutes der Wiener Universität, zum erstenmal die Grillparzer-Ringe vom Minister verliehen wurden, geschah es in der Absicht,, hervorragende Leistungen auf den verschiedensten Gebieten (Regie, Darstellung, Publizistik…) für den großen österreichischen Dichter Franz Grillparzer durch diese Auszeichnungen zu würdigen.

Die ersten Träger des Ringes sind nun zwei bedeutende Regisseure: Die Verdienste des einen, Prof. Leopold Lindtberg (siehe Furche Nr. 23162), sind in Österreich gut bekannt und allgemein gewürdigt; was Lindtberg aber für Zürich und Wien, das ist der andere, D r. Gerhard Hering, für das Grillparzer gegenüber schon immer reservierte Deutschland.

Der aus der Provinz Posen stammende Dr. Gerhard Hering wurde 1908 geboren und studierte an den Universitäten Berlin und Heidelberg. Bevor er sich erstmals als Regisseur in Essen versuchte, war er für einige Zeit Mitarbeiter von Leyhausen, Hagemann und Weichert, um sich aber dann für mehrere Jahre der Journalistik als Theaterkritiker zu verschreiben. Im Jahre 1948 allerdings kehrte er zur Praxis zurück und wurde Chefdramaturg an Hilperts Deutschem Theater in Konstanz. Nach zwei Jahren leitete er an den Münchner Kammerspielen die Otto-Falckenberg- Schauspielschule und wurde 1952 Chefdramaturg am Württember- gischen Staatstheater in Stuttgart. Hier inszenierte er auch ein Jahr später zum erstenmal „Ein Bruderzwist im Hause Habsburg” mit Theodor Loos in der tragenden Rolle Rudolfs II. Wie sehr sich Hering zu der Problematik dieses visionären, hintergründigvielschichtigen Dramas hingezogen fühlt, bewies seine nochmalige, 1963 in Szene gegangene Aufführung des „Bruderzwistes” am Darmstädter Landestheater: das Ineinander fließen von Skepsis und gütiger Weisheit, von Enttäuschung und Einsamkeit in der Gestalt Rudolfs II., nunmehr dargestellt von Max Noack — und über allem die eindringliche Mahnung zur „Ordnung als Ehrfurcht vor dem Unerforsch- lichen”… Gerade in der Schwierigkeit, die Hypothek großer Rudolf-Darsteller wie Raol Aslan, Werner Krauß, Theodor Loos tragen zu müssen, bewährte sich Herings subtile Wortregie und das Können, auch das spannungsgeladene Schweigen in Grillparzers Dramenwelt durch Mimik und Gebärde beredt zu machen.

In die Zeit zwischen diese beiden denkwürdigen Regieleistungen fielen zahlreiche Gastregien und eine weitreichende schriftstellerische Tätigkeit, die sich unter anderem auch zu einem regelrechten Plädoyer für Grillparzer entfaltete. Regisseure und Intendanten sollten sich in einem wesentlichen Punkt angesprochen fühlen. Den gleichen Tenor hatte auch Herings diesjährige Rede in Forchtenstein, in welcher er eindeutig und mit erstaunlichem Enthusiasmus eine Lanze für den österreichischen Dramatiker brach. Als Sellner im Jahre 1961 an die Deutsche Oper in Berlin ging, wurde Dr. Gerhard Hering der Nachfolger Sellners und somit Intendant des Hessischen Landestheaters in Darmstadt, wo er heute noch wirkt.

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