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00-Agenten

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Nun ist es also wieder einmal aufgekommen: Dieses Wien ist und bleibt ein gefährliches Agentennest. Auch ich habe Alois Mock schon ausgeforscht und fast alles erfahren.

Aber bei dem US-Gesandten Felix Bloch kommt erschwerend hinzu, daß er auch noch ein Freund von Mock war. Außerdem hat er auch Kontakte zu Ostblock-Diplomaten gepflegt. Und nun weiß womöglich Moskau alles, was Alois Mock weiß. Ein ungeheurer Informationsvorsprung t

Nun war ich ja lange genug als Korrespondent in Wien, um zu wissen, wie schwer das Spionage-Handwerk ist.

Sobald man versucht, „Hintergründe zu erhellen “ und vertrauliche Informationen von den berühmten „eingeweihten Greisen“ zu erfragen, hat man schon den Schritt vom Nachrichtenredakteur zum -agen- ten getan. Wenn man aber in Wien oder anderen Hauptstädten einen Gesprächspartner erwischt, der kein Agent eines anderen Nachrichtendienstes sein könnte, sollte man ihn sofort stehen lassen, denn der ist unwichtig.

Damit stehen aber auch wir Medien-Korrespondenten immer mit einem Fuß in dem Strick, der uns leicht zum Hals hochgezogen werden kann. Sprechen die westlichen und östlichen Kollegen nämlich darüber, wie die Lage zuhause wohl einzuschätzen ist, dann sind sie in den Augen eines patriotischen Provinz-Staatsanwalts schon überführte Landesverräter.

Helfen wir uns aber nicht durch Informationsaustausch bei der Beurteilung der Politik hüben und drüben, dann fragt man uns mit Recht, ob wir die „ Ost-West-Drehscheibe “ am Ende bloß für ein Fahrgeschäft auf dem Wiener Prater halten.

Den Diplomaten geht es nicht anders. Machen sie nur Blabla beim Cocktail-Smalltalk, gelten sie als nutzlose Zierfische der Politik. Pflegen sie aber inoffiziellen Informationsaustausch zum Sondieren der Lage, entlarvt sofort wieder ein wichtigtuerischer Agentenjäger mit dem mörderischen 00-Spray ausgerechnet die wenigen Diplomaten, die überhaupt ein Gesicht haben.

Wieviel politischer Blödsinn ist nicht schon deshalb verhindert worden, weil sich die Gegenseite dank „Spionage“ rechtzeitig vorbereiten konntet War es wirklich die Abschrek- kung, die seit Jahrzehnten einen großen Krieg verhindert hat? Oder lag es nicht eher daran, daß kaum ein neu erfundenes. Vemichtungsmonopol ein Geheimnis und keine Seite lange überlegen blieb?

Unsere Justiz sollte lieber alle Diplomaten und Korrespondenten einsperren, die nicht alle Kontakte ausschppfen, um internationale Mißverständnisse und Fehleinschätzungen abzubauen. Eines Tages werden wir Spione alle den Friedensnobelpreis erhalten. Aber leider vielleicht erst posthum.

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