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Aschenbrödel — international
Das Ballett-Tief der Grazer Oper zu beseitigen, unternahm Waclaw Orlikowsky das Risiko einer Koproduktion Agram—Graz, wobei allerdings- der tänzerische Anteil des Grazer Balletts weit geringer war als jener der Jugoslawen. Aus Graz kamen im wesentlichen eine getanzte Episode, das diesmal recht passabel spielende Philharmonische Orchester und die Kostüme von Ronny Reiter. Agram stellte seine umfangreiche tänzerische Streitmacht zur Verfügung und den Dirigenten Miro Belamaric. Gegeben wurde Prokof-jews „Aschenbrödel“ in erstaunlich wirkungsvollen Dekorationen von Annelies Corrodi, wobei zur Augenweide an den Dekorationen die Pracht der Kostüme noch einiges beitrug. Orlikowsky beschränkte sich auf die Präsentation eines prunk- und glanzvollen Schaustük-kes, das seine begeisterten Bejubler fand. Zu kurz kam dabei der seelische, aber auch der soziale Hintergrund der Falbel, für den bei soviel schönem Schein eben kein Platz mehr war. Die kroatische Primaballerina Vesna Butorac wird auf vollendete Weise mit den Schwierigkeiten der Titelpartie fertig, und Martin Turk'u ist der bravouröse Darsteller des Prinzen.
Intendant Nemeths eigentliches
Aschenbrödel ist hingegen das Schauspiel. Hier wurde — besonders im letzten Jahr — Entscheidendes verpaßt. Die Chancen, daß Chefdramaturg Dr. Kurt Kiinger, der für das nächste Jahr verantwortlich zeichnet, und der für 1976 bestellte Schauspielidirektor Dr. Rainer Hauer den total immobilisierten Karren in harter Wiederaufbauarbeit wieder einmal flottbekommt, sind gottlob noch nicht ganz „vertan“. Die letzte Premiere im Schauspielhaus offenbarte wieder die alte Misere: gute und sehr gute Darsteller werden für eine schwierige Aufgabe einem jungen Nachwuchsregisseur (Jean-Paul Anderhub) anvertraut, der selbst noch keinen festen stilistischen Boden unter den Füßen hat und noch im Experimentieren steckt. Tschechows „Kirschgarten“ sah man in dieser Inszenierung die Unsicherheit der Verantwortlichen in jeder Szene deutlich an: Da wurde ein bißchen modisch, dort wieder ein wenig traditionell gearbeitet — was herauskam, war ein recht provinzieller Mischmasch aus Bndspiel, Realimus und Sozialkritik, dem jede interpre-tatorische Entschlossenheit fehlte. Von den Schauspielern fielen Otto David und EriJca Deutinger•, immerhin noch angenehm auf.
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