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Aufbruch in Washington
Als der frisch gewählte Präsident John F. Kennedy zum Amtseinführungskonzert in die Constitution Hall fuhr, las er die erste Amtsantrittsrede Thomas Jeffer-sons, die im Konzertprogramm abgedruckt war, und meinte dann trocken: „Besser als meine.”
Jefferson, der Reformer und führende Kopf der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung war Präsident von 1801-1809, und auch Bill Clinton setzte ein Zeichen, um sich zur Jefferson-Tradition zu bekennen.
Als Clinton am Montag in der Häuptstadt der USA eintraf, wurden Feuerwerke gezündet und Glocken geläutet. Ungeheuer sind die Hoffnungen, die sich mit dieser Amtseinführung verbinden.
„Das Wort soll ausgehen zu dieser Stunde und zu diesem Ort, an Freund und Feind, daß eine neue Generation von Amerikanern die Fackel übernommen hat.” Das sagte John F. Kennedy im Jänner 1961.
Und auch Bill Clinton vertritt eine neue Generation. Kennedy charakterisierte seine Generation so: „In diesem Jahrhundert geboren, gestählt vom Krieg, diszipliniert von einem harten und bitteren Frieden, stolz auf unser ehrwürdiges Erbe.”
Clintons Generation ist mit dem Fernsehen aufgewachsen, hat den Vietnam-Krieg erlebt oder bekämpft, in den sechziger Jahren eine Kulturrevolution entfacht und miterlitten, wie amerikanische Hoffnungen zerstört wurden: John F. Kennedy, ermordet im November 1963, der Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King, ermordet im April 1968, Robert Kennedy, ermordet im Juni 1968, als er für die Präsidentschaft kandidieren wollte.
„Man empfand Erbitterung, Scham, Schmerz, Ungläubigkeit und Leere.” So schildert Arthur M. Schlesinger die Reaktion auf den Tod des Präsidenten. Der Historiker erzählt in seinem Buch „Die Tausend Tage Kennedys” auch, wie seine Tochter weinend sagte: „Papa, was ist mit unserem Land passiert? Wenn unser Land so ist, will ich nicht mehr hier leben.”
Arthur M. Schlesinger gehörte zu den brillanten Köpfen, die Präsident Kennedy um sich gesammelt hatte. Sie arbeiteten mit ihm im Geist der „Neuen Grenzen”, eine neue Politik für die Dritte Welt wurde konzipiert, neue Wege der Auslandshilfe gesucht und eine neue Wirtschaftspolitik erarbeitet.
„Eine Weile glaubten wir, das Land gehörte uns”, sagte der Schriftsteller Norman Mailer nach der Ermordung Kennedys. „Jetzt gehört es wieder ihnen.”
Es ist anzunehmen, daß Bill Clinton ziemlich genau weiß, wer „sie” sind. Clintons Generation sucht nach einem neuen Amerika, aber sie hat keine Illusionen darüber, wie stark das Amerika ist, das sich Reformen entgegenstemmen wird.
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