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Die Gründerzeit der Kennedys

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Richard Wahlen, Redakteur der anspruchsvollen amerikanischen Monatsschrift „Fortune“, fand neben seiner publizistischen Tätigkeit Zeit, das Buch „The Founding Father“,eine Biographie Joseph P. Kennedys, zu schreiben, die in den USA reges Interesse erregt.

Die Gründerzeit der Kennedys beschäftigt sich hauptsächlich mit wirtschaftlichen und soziologischen Fragen. Seiner beruflichen Herkunft nach ist Wahlen daher dazu befähigt, das Bild eines Mannes zu zeichnen, der als Wirtschaftskapitän sehr viel erfolgreicher als in der Politk war.

Harte Schulung

Zum Verständnis Joseph P. Kennedys gehört die Kenntnis der Ressentiments, die ihn anspornten. Sein Großvater war als einfacher Arbeiter aus Irland eingewandert und starb mit 38 Jahren, genauso arm, wie bei seiner Ankunft, an der Cholera. Sein Vater dagegen erwarb mit einem Wirtshaus sowohl bescheidenen Wohlstand als auch politischen Einfluß. Er schickte seinen Sohn auf Schulen, die bisher den Abkömmlingen alteingesessener protestantischer Familien vorbehalten waren, zuerst auf die Boston Latin School und später nach Harvard. In beiden Schulen konnte Joseph Kennedy sich nur durch Leistungen und Anschmiegsamkeit durchsetzen. Der junge Mann verstand es jedoch von Anfang an, seine Beziehungen zugleich zur Hebung seines gesellschaftlichen Status als auch zu seinern wirtschaftlichen Aufstieg zu benützen. Auf einer Europareise brachte er es fertig, den, ihm noch dazu unbekannten, Prinzen von Wales für einen geschäftlichen Erfolg einzuspannen.

Joseph Kennedy begriff schon in der Jugend, die man die zarte nennt, daß das Leben ein Kampf ist, für den man harte Ellbogen braucht. Dies brachte ihn dazu, seine Kinder zu lehren, es käme auf den Sieg, nicht auf Fairness an, was sich zuerst auf ihre kindlichen Spiele und später auf ihre politischen Kämpfe auswirkte. Daraus resultierte die Härte und Unerbittlichkeit seines Sohnes John F. Kennedy, die sich so merkwürdig mit seinem Idealismus verband.

Aber wenn auch Vater Kennedy in seinen ethischen Prinzipien nicht besser war als so mancher andere, der es zu großem Reichtum brachte, als echter pater familias unterschied er sich von diesen. Sein Glaube mag ihn nicht dazu bestimmt haben, die christliche Nächstenliebe in geschäftlichen Dingen zu praktizieren, aber er brachte ihn dazu, seine Aufgabe als Vater sehr ernst zu nehmen. Anders als der reichste Mann der Welt, Jean Paul Getty, der auf die Frage, was er denn für die menschliche Gesellschaft geleistet habe, nichts zu antworten wußte als „Ich habe neue Ölquellen entdeckt“, kann Kennedy vor der Geschichte bestehen.

Rigorose Börsenkontrolle

Trotz seiner 7.weifelhaften Börsenmanöver entwickelte Kennedy einen Plan zur Kontrolle der Börse, der Präsident Roosevelt zur Schaffung einer Regierungsstelle anregte, der sogenannten Securtties and Exchange Commisson, kurz SEC genannt. Der Präsident setzte Kennedy als Ersten Vorsitzenden dieses neuen Amtes ein, was seine fortschrittlichen Anhänger entsetzte, denn sie meinten, dies hieße den Bock zum Gärtner zu machen. Sie irrten sich. Mit einem scharfen Messer schnitt der bisherige Spekulant die Wucherungen am Börsenkörper weg. Trotz finanzieller Einbußen blieb Kennedy im öffentlichen Dienst, solange er benötigt wurde. Während die große Mehrzahl der Kapitalisten, die er wegen ihrer Kurzsichtigkeit und Habgier verachtete, Roosevelt als „Verräter an seiner Klasse“ haßten, erkannte Kennedy, daß in Wirklichkeit der Präsident den Kapitalismus gerettet hatte. Er zeichnete sich auch als Vorsitzender der Maritimen Kommission aus, die die Aufgabe hatte, die durch Korruption und Arbeitskämpfe schwer angeschlagene Handelsmarine wieder flottzumachen. Jedoch seine Hoffnung, Finanz-minister zu werden, erfüllte sich nicht, weil Roosevelt sich lieber mit weniger unabhängigen Männern umgab.

Grollend kehrte Kennedy in das Privatleben zurück und kassierte als Retter fast bankrotter Unternehmen fabelhafte Honorare. Aber er sehnte sich nach dem öffentlichen Leben zurück und erreichte es schließlich, zum Botschafter in London ernannt zu werden. Bewußt brach der Präsident mit der Tradition, Mitglieder altbekannter protestantischer Familien nach London zu schicken. Er wollte den Engländern die neue Ordnung in Amerika demonstrieren. Die führende Schicht absorbierte jedoch den Iren, der sich gerne in Schlössern aufhielt, sehr schnell. Da sie hauptsächlich aus Appeasern bestand, wurde auch Kennedy ein Appeaser.

Dazu verhalf ihm allerdings noch sein angeborener Pessimismus sowie seine Unfähigkeit, den kühnen menschlichen Geist, der sich ohne Rücksicht auf Verluste für etwas einsetzt, zu begreifen. Hitlers Überlegenheit in Waffen schien seinen Sieg zu gewährleisten. Daher verlangte Kennedy eine Verständigung um jeden Preis mit dem „Führer“, wie er auch später Stalin geben wollte, was immer dieser verlangte. Daher geriet er bald in Gegensatz zu Churchill, Roosevelt und den Juden. Er wurde als Antisemit verschrien, eine durchaus unhaltbare Anschauung.

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