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ELEANOR ROOSEVELT / AMERIKAS GROSSE FRAU

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Es fällt heute schwer, in Osterreich, das die Tage der Marianne Harnisch, Hildegard Burjan, Auguste Fickert, Bertha von Suttner scheinbar vergessen hat, von der Größe politisch wirkender Frauen zu sprechen. ]e kleiner die Männer sind, gerade auch Politiker, um so leichter fällt es ihnen, sich über die Größe bedeutender Frauen hinwegzusetzen. Ganz ungeziemend und nur unsere Provinzialität bezeugend, hat man hier nicht selten über Mrs. Rooseveh gelächelt oder sich eben geärgert. Nun, nachdem sie am 7. November 1962 in New York im Alter von 78 jähren gestorben ist, ist es hohe Zeit, ihrer in Gerechtigkeit zu gedenken. Die eigentümliche, echte Vitalität der Demokratie in Amerika lebt nicht zuletzt von der politischen Vitalität amerikanischer Frauen.

„Eine der großen Frauen in der Geschichte unseres Landes ist abgetreten. Ihr Verlust wird von allen tief empfunden werden, die ihren unermüdlichen Idealismus bewundert oder von ihren guten Werken und ihrem weisen Rat profitiert haben.“ Diese Worte des Präsidenten Kennedy sind ernst zu nehmen. Eleanor Roosevelt war nicht nur zwölf Jahre First Lady im Weißen Haus, als Gattin des Präsidenten Roosevelt. Sie war selbst jahrelang in Regierungsämtern und wichtigen Körperschaften höchst aktiv tätig und gehört zu den einflußreichsten politischen Frauen unseres Jahrhunderts, vergleichbar den drei berühmten chinesischen Schwestern um Tschiangkaischek und Mao. In Eleanor Roosevelt lebte unerschütterlich der Glaube an die Verpflichtung der Demokratie, überall, auf der ganzen Welt, für die Gleichstellung aller Rassen und Volksschichten, für soziale Gerechtigkeit, für bessere Erziehung, für Befreiung von Hunger, Furcht und Not zu kämpfen.

Wie einst die großen Prediger in den englischen Erweckungsbewe-gungen des 18. Jahrhunderts zog sie unermüdlich durch die amerikanischen Lande, hielt ihre Vorträge, schrieb ihre Aufsätze, kämpfte für die Verwirklichung ihrer Ideen.

Eleanor war eine Nichte des fünfundzwanzigsten Präsidenten der USA, jenes Republikaners Theodore Roosevelt, der unsere österreichische Friedenskämpferin Bertha von Suttner höchst aufmerksam aufnahm und tatkräftig unterstützte. Die kleine Eleanor verlor ihre Eltern vor dem zehnten Lebensjahr und wurde von ihrer Großmutter mütterlicherseits erzogen. Als Studentin studierte sie drei Jahre in Europa. 1905 heiratete sie Franklin D. Roosevelt, ihren Cousin fünften Grades, den sie seit ihrer Kindheit kannte. Vier Söhne und eine Tochter entsprangen dieser glücklichen Ehe.

Als Franklin D. Roosevelt 1921 an Kinderlähmung erkrankte, übernahm sie einen Großteil der Arbeit. Während der Jahre bis zu seiner Wahl zum Präsidenten nannte man sie seine „ Augen, Ohren und Beine“ und seine beste Ratgeberin. Von 1933 bis 1945 war sie die First Lady Amerikas, hielt als solche als erste Pressekonferenzen, fuhr im zweiten Weltkrieg zu den Kriegsschauplätzen (gefürchtet mit gutem Recht von einigen Generälen, geliebt von den Müttern und Frauen der Soldaten).

1946 ernannte Präsident Tru-man Eleanor Roosevelt zum US-Delegierten für die erste Vollversammlung der Vereinten Nationen. Kurze Zeit später übernahm sie den Vorsitz in der UNO-Kommission für Menschenrechte. Hier hat sie maßgebend an der 1948 verkündeten „Erklärung der Menschenrechte“ mitgewirkt.

Millionen Amerikaner lasen viele Jahre lang ihre tägliche Spalte „Mein Tag“ in über 50 Tageszeitungen. Ihre Bücher, allen voran ihre Autobiographie, haben hohe Auflagen erzielt.

Diese Frau, die den Reichtum und die Macht kannte, scheute sich nicht, die Armut und die Ohnmacht kennenzulernen: in Slums, in Bergwerken, in Fabriken, und das auf den großen Straßen wandernde Elend landloser Farmer.

Auf ihren vielen Reisen hat sie 1953 auch Wien besucht. Präsident Kennedy hat sie noch in diesem Jahr zum Mitglied der US-Delegation bei der 15. Generalversammlung der UNO ernannt und zur Lei terin der Kommission für Frauen-rechte.

Ein reiches, erfülltes Leben ist zu Ende: das Ende einer Frau, die keinen Tag ihres Lebens die Verpflichtung der Frau, für das Leben des Menschen und für seine Freiheit zu kämpfen vergaß. Das stete Lächeln auf ihrem Gesicht verbarg die riesige Anstrengung eines kämpferischen Lebens, das in den Seelen erloschen ist. f, h.

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