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ARTHUR M. SCHLESINGER / REPORTER EINER ÄRA

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Die Sorgen der Vereinigten Staaten sind in den fast zwei Jahren, die seit der Ermordung John Kennedys in Dallas verstrichen sind, nicht geringer geworden. Im Gegenteil. War es damals die Zuckerinsel Kuba, die zum Sorgenkind der amerikanischen Außenpolitik geworden war, so hat sich nun das Gewicht nach Ostasien verlagert, wo die USA verzweifelt versuchen, die unzähligen Sprünge und Risse, die der stetige Druck des Viet-kong in den verrotteten südvietnamesischen Damm gepreßt hat, zu stopfen. Zwei Jahre also — und doch taucht plötzlich wieder das wohlvertraute bubenhafte Gesicht des einstigen Präsidenten in der Weltpresse auf, die bisher die Erinnerung an John Kennedy höchstens in mehr oder weniger geschmackvollen Kombinationen über eine neue Ehe seiner Witwe gepflegt hat.

Vieles aus der Kennedy-Ära ist noch dunkel, ruht in den Archiren in Washington oder in den atombombensicheren Tresoren des „Pentagon“. Zu kurz ist die Distanz, um jene Ära schon Geschichte, jüngste Geschichte, werden zu lassen. Ein wenig Licht in das Dunkel bringen die Erinnerungen Arthur M. Schlesingers, eines der Männer aus dem „brain trust“ des Präsidenten, einer der Männer, die nach den Schüssen von Dallas wieder aus dem Staatsdienst ausgeschieden sind — mehr oder weniger freiwillig.

Eben diese Memoiren sind es, die die Spalten der Weltpresse wieder mit Kennedy-Bildern zu füllen imstande sind. Denn was Schlesinger über seinen Präsidenten und dessen Maßnahmen zu sagen weiß, löst manches Rätsel, an dem „Political-science“-Professoren ebenso wie Leitartikler und Historiographen immer wieder herumgedeutet haben.

Daß Arthur M. Schlesinger seine Erinnerungen so abgefaßt hat, daß sie der späteren Geschichtsschreibung als wertvolle Quelle dienen, ist kein Zufall. Schlesinger — Jahrgang 1920 — ist selbst Historiker und Nationalökonom, weiß also, wie ärgerlich die Arbeit mit veröffentlichten Memoiren sein kann, die nichts als leeres Geschwätz beinhalten. Der Pulitzer-preis, der Schlesinger für ein historisches Werk über den Präsidenten Jackson 1945 verliehen wurde, war in den Vereinigten

Staaten keine Überraschung: An der Tatsache, daß ein Universitätsprofessor auch wie ein erfahrener Journalist schreiben kann, ist dortzulande offenbar nichts Auffälliges.

Schlesinger, der neben setner Tätigkeit als Berater des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Stevenson in den Jahren 1952 und 1956 noch Zeit fand, ein vierbändiges Werk über Franklin D. Roosevelt und den „New Deal“ zu vollenden, arbeitete auch für John Kennedy in ähnlicher Funktion, als dieser sich 1960 anschickte, ins Weiße Haus einzuziehen. Als psychologischer „Schlager“ erwies sich in jenen Wochen Schlesingers Buch „Kennedy oder Nixon — was ist schon der Unterschied?“, das Kennedy viele Stimmen gebracht haben dürfte.

Und jetzt tritt dieser „egg head“ eines ehemaligen Präsidenten wieder aus seiner Reserve. Gerade jetzt, wo die Welt wieder gespannt die Reaktionen eines> US-Präsidenten beobachtet...

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