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Familienverband: Ein Typenschein fürs Wohnen

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Zu einer Enquete über „familiengerechtes Wohnen“ lud dieser Tage der Katholische Familienverband in Wien. Wissenschaftler und Experten aus dem In- und Ausland waren gekommen, um zum Thema Wohnbau vielerlei zu sagen; Selbstverständliches, Brisantes, Neues, manchmal auch Undifferenziertes.

Zuerst zum Undifferenzierten: Leider hat es sich so eingebürgert, daß man heutzutage grundsätzlich Hochhäuser verteufelt.

Ebenso hat es sich eingebürgert, unter dem Titel „Landfraß“ über die Besitzer der Einfamilienhäuser herzufallen, um ihnen Zerstörung der Landschaft und asoziales Verhalten vorzuwerfen.

Pauschalurteile sind nur mit Vorsicht zu genießen: Es gibt durchaus Beispiele, wo auch in Hochhäusern Gemeinschaftsleben existiert - sei es, weil den Bewohnern einfach danach ist, sei es, weil die bauliche Konstruktion Kommunikation begünstigt. Ebenso ist gegenüber der von manchen Experten gepflegten Abneigung gegen Einfamilienhäuser Skepsis am Platze (es muß ja nicht jedes Haus allein auf der grünen Wiese stehen - es gibt genügend moderne Formen der verdichteten Bauweise).

Resultat Nummer 1: Ein Haus ist

nicht deswegen familienfeindlich, weil es ein Hochhaus ist; ein Haus ist aber auch nicht deshalb gesellschaftsfeindlich, weil es ein Einfamilienhaus ist. Das Um und Auf ist aber, was sich die Baumeister, die Achitekten und die Bauträger gedacht haben, als sie das Haus hingestellt haben, und was sich die Familien dachten, als sie es bezogen.

Interessant war auch die Diskussion über die alte Streitfrage: Wer kann familienfreundlich planen und bauen? Wir kennen ja das alte Spiel: Die „Experten“ sagen, die Wohnungswerber seien unfähig, ihre Wohnungen selbst zu gestalten und mitzuplanen. Die Soziologen wissen nur Schlechtes über die Architekten, die sie für unfähig halten, familiengerechte Wohnungen zu planen; die Architekten meinen von den Soziologen dasselbe.

Resultat Nummer 2: Nicht die Wohnungsinsassen, nicht die Architekten, nicht die Soziologen (oder wer sonst noch) sind die alleinig Blöden. Es krankt daran, daß das Wort „Wohnerziehung“ in unserem Vokabular nicht präsent ist. Daher kam der interessante Vorschlag, Wohnerziehung bereits in der Schule zu lehren;

Deutlich zu hören waren auch kritische Stimmen dem Wohnungsmarkt

gegenüber: Der Konsument stehe unter Druck (Bestbieterverfahren); es fehle an zentralen Informationsstellen, weshalb der einzelne Wohnungssuchende den Wohnbauträgern und vor allem dem Vermittler ausgeliefert sei, der ihm nicht selten einen grauen Lichthof als Grünanlage vor den Fenstern verkaufe. Wohnbau sei zu stark orientiert an den Genossenschaften, Wohnbau spiele sich in einem enorm politischen Spannungsfeld ab; die Wohnbauträger seien hochpolitische Organisationen, die heute mehr der Wohnungsindustrie denn der Selbsthilfe der Konsumenten dienen, hieß es.

Resultat Nummer 3: Der Familienverband ließ sich von einer Arbeitsgruppe unter Univ.-Prof. Dr. Erich Panzhauser eine Checkliste erarbeiten, die zu einem Typenschein für Wohnungen werden könnte: Auf dieser Checkliste lassen sich alle objektiven Werte einer Wohnung eintragen, denen die subjektiven Wünsche der Wohnungswerber gegenübergestellt werden könnten.

Gesamtresultat: Die familiengerechte Wohnung hat eine Chance, wenn der Einzelne sein Schicksal selbst in die Hand nimmt - und wenn er zuvor gelehrt wird, dies zu tun.

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