Daniela Strigl über Austrofaschismus.
Mit dem Begriff Austrofaschismus habe ich kein Problem. Während man etwa im „Haus der Geschichte Österreichs“ heute lieber von der „Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur“ spricht, steht für mich außer Frage: Unter dem Bundeskanzler und Führer der Vaterländischen Front wurde ein Faschismus mit österreichischem Antlitz nach italienischem Vorbild praktiziert, mit dem Kruckenkreuz als Symbol der Einheitspartei, mit Massenorganisation, ständischer Ordnung und schlampigem, wiewohl unmissverständlichem Antisemitismus, der Ausschaltung des Parlaments und dem Ausschluss sozialdemokratischer und kommunistischer Kräfte. Aber: Ermordet von putschenden Nazis am 25. Juli 1934, war Dollfuß trotz alledem das erste prominente NS-Opfer des Landes. Indem der ÖVP-Parlamentsklub 2017 sein Porträt von der Wand nahm, hat er nicht nur den Diktator, sondern auch das Gewaltopfer entsorgt.
Mit der Farce um das Museum in Dollfuß’ Mostviertler Geburtsort Texing ist die Geschichte um eine weitere Facette der berüchtigten „österreichischen Lösung“ reicher geworden: Das Avancement des verantwortlichen Bürgermeisters zum Innenminister hatte den medialen Scheinwerfer auf die Gedenkstätte in der inadäquaten Anmutung von Roseggers Geburtshaus gerichtet; der Verein MERKwürdig wurde mit einer Umgestaltung beauftragt und gebar stattdessen die gloriose Idee der „konstruktiven Auflösung“, das heißt des sukzessiven Ausräumens der gesammelten Devotionalien bis 2028 mit folgender Schließung. Dass die Familie Dollfuß dem traurig-mutlosen Treiben nun ein Ende gesetzt und die Leihgaben ans Land weitergereicht hat, kann man ihr nicht verdenken. Statt einer ernsthaften Auseinandersetzung mit einem als „Märtyrerkanzler“ verherrlichten Machtpolitiker, dessen einziges historisches Verdienst wohl im Kampf gegen Hitler besteht, hat man das Heil im Zusperren gesucht. Merkwürdig, fürwahr.
Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin.
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