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Recht auf Stolz

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Als Mitglied der katholischen Kirche wird man gelegentlich zu einer sogenannten Bußfeier eingeladen. In solchen Bußfeiern geht es nicht nur um Ereignisse aus jüngster Vergangenheit, die man selbst mit Zorn und Scham wahrgenommen hat, sondern man hat sich auch für Dinge, die schon lange zurückliegen, als schuldig zu bekennen. Hexenausrottungen, Ketzerverbrennungen und was bei der spanischkatholischen Eroberung Lateinamerikas geschah.

Also glaubt man auf einen ziemlich kriminellen Verein gestoßen zu sein. Kein Wunder, daß so manches zahlende Mitglied sich seinen Austritt überlegt.

Mit Recht? - Natürlich, es gibt Fakten aus der Vergangenheit der Kirche, die, auch wenn man ihren historischen Kontext bedenkt, barbarisch und schlimm waren. Sind nun Katholiken ununterbrochen zu Minderwertigkeitsgefühlen zu erziehen? Ich meine, daß Katholiken nicht auf Ihr Recht auf Stolz verzichten sollten. Schon deswegen nicht, weil sie bereit sind, sich der Vergangenheit zu stellen.

AVas außerhalb der Kirche eher eine Seltenheit ist. Beim sonderbaren Österreich-Millennium hat man von einer ähnlichen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nichts gehört. Ein Katholik ist auch einer, der sich auf sonst unübliche Weise mit seiner persönlichen Vergangenheit auseinandersetzt. Jede Eucharistiefeier fängt mit einem Schuldbekenntnis an. Wie anders wäre ein Opernball ader eine Parlamentssitzung, wenn die Teilnehmer zuerst ihre eigene Armseligkeit bekannt gäben!

Katholische Vergangenheit ist nicht nur eine Kette beschämender Ereignisse. Und die Gegenwart? Bei allem, was in der Kirche schmerzt, in mancher Hinsicht bleibt die Kirche ein ausgesparter Bereich. Eine Gehälterdiskussion wie in der Politik konnte in der Kirche gar nicht aufkommen, da alle sowieso recht wenig verdienen.

Darum sollte man in der Kirche, Dei allem Wissen um die Unzulänglichkeit, auf das Recht auf stolz beharren.

Der Autor ist

in Wien Geistlicher Assistent des Katholischen Akademikerverbandes und Rektor der Ruprechtskirche.

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