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Immer für den ganzen Menschen

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Erwachsenenbildung - was ist das eigentlich? Nur ein schillernder Begriff, ein alter Hut, unter dem marxistische Zielvorstellungen ebenso ihren Platz finden wie christliche Ideale? Wird mit dem Begriff „Erwachsenenbildung“ nicht politisch Schindluder getrieben? Soll und darf da die Kirche überhaupt interessiert sein, mitzumischen?

Die Kirche hat seit jeher Bildung als eine Grundsendung gesehen. Die Erwachsenenbildung der Kirche ist ein Teil der Verkündigung und ihres Dienstes für den Menschen zur Lebensbereicherung und Daseinserhellung. Ihr Ziel ist der mündige Christ, der seine Aufgaben in der Gesellschaft und in der Kirche erkennt, wahrnimmt und erfüllt. So versteht sich die Erwachsenenbildung der Kirche als ein Teil der allgemeinen Erwachsenenbildung und fühlt sich als solche mitverantwortlich an der lebenslänglichen Bildung der Menschen. Die kirchliche Erwachsenenbildung umfaßt daher alle Bereiche des Lebens.

Da man sich im allgemeinen kaum einmal vergegenwärtigt, welchen Umfang die kirchliche Erwachsenenbildung eigentlich überhaupt hat, hier einige Zahlen, die nur die Diözese Linz betreffen; man wird sich dann das Ausmaß der gesamtösterreichischen kirchlichen Initiativen im Bereich der Erwachsenenbildung leicht vorstellen können.

In der Diözese Linz gibt es insgesamt sechs Einrichtungen, die sich ausschließlich mit Erwachsenenbildung beschäftigen: das Katholische Bildungswerk, das Bildungshaus Schloß Puchberg bei Wels, das Linzer „Haus der Frau“, das Sozialreferat, das Referat für Massenmedien und die Katholische Glaubensinformation. Daneben gibt es viele andere Einrichtungen, wie zum Beispiel die Gliederungen der Katholischen Aktion, die auch Erwachsenenbildung leisten. Sie sind auch deshalb so wichtig, weil sie entscheidend für Erwachsenenbildung motivieren. Der Bildungsbericht der diözesanen Arbeitsgemeinschaft für katholische Erwachsenenbildung über das Jahr 1976 - für 1977 liegen die Zahlen noch nicht vor - spricht von insgesamt fast 4500 Veranstaltungen, an denen 320.000 bildungswülige Menschen teilgenommen haben.

Alehr als'vier Millionen Schilling von den Gesamtkosten dieser Bildungsarbeit, die sich auf 11,4 Millionen Schilling beliefen, brachte die Diözese Linz auf. 5,9 Millionen Schilling zahlten die Teilnehmer. Der Bund gab eine Subvention in Höhe von 868.921, das Land 401.000 Schilling. Man muß also feststellen, daß die Kirche die Bedeutung der Erwachsenenbildung in der Gegenwart erkannt hat und daß sich dies auch in ihren finanziellen Beiträgen ausdrückt.

Welche Probleme gibt es nun im

Bereich der Erwachsenenbildung heute? Ich bin der Auffassung, daß Erwachsenenbildung vor allem nicht reduziert werden darf auf die berufliche Aus- und Weiterbildung und auf die politische Bildung: Erwachsenenbildung muß immer den ganzen Menschen mit all seinen Möglichkeiten entfalten helfen. Erwachsenenbildung hat dabei, auch immer ein Element der „Wahrheitssuche“ in sich. Spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird man das Katholische der katholischen Erwachsenenbildung nicht mehr in vorfabrizierten Antworten auf die brennenden Fragen des Lebens suchen und finden. Es gibt auch in der katholischen Erwachsenenbildung heute nicht mehr die jederzeit vollgültige Antwort.

Das Wesentliche jeder christlichen Erwachsenenbildung besteht in der Uberzeugung, daß der Mensch der auf Gott Verwiesene ist; daß sich der Mensch auf dem Weg zu einem Ziel befindet, das weit über die Realität des Diesseits hinausweist. Christliche Erwachsenenbildung muß nach einem Wort des evangelischen Erwachsenenbildners Wolfgang Böhme deutüch machen, „daß mehr Freiheit mehr Bereitschaft zu üeben einschließen muß, daß die Entfaltung des einzelnen nicht seiner Isolierung, sondern dem Aufbau gemeinsamer Lebensformen dienen soU und daß gegenseitige Hilfe, Dienstbereitschaft, ja Bereitschaft zum Opfer allein ein menschenwürdiges Dasein ermögücht.“

Daß solche Überlegungen im Bereich der diözesanen Erwachsenenbildung des Landes und Bundes anerkannt werden, ist erfreulich. Daher gibt es von Anfang an von Seiten der kathoüschen Erwachsenenbildung etwa mit dem Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich, der Förderungsstelle des Bundes für Erwachsenenbildung in Oberösterreich und der Abteilung Kultur des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung eine gedeihliche Zusammenarbeit.

Bei aller Einbindung der katholischen Erwachsenenbildung in die übrige Erwachsenenbildung des Landes und Bundes wird man jedoch auch in Zukunft bestrebt sein, mehr als „Bewegung“ denn als „Institution“ zu wirken. Erkenntnisse, Erfahrungen und Modeue der katholischen Erwachsenenbildung könnten so auch in Zukunft als ein Sauerteig der Erneuerung in Kirche und Gesellschaft wirken. ,Die katholische Erwachsenenbildung soll auch in Zukunft - das ist meine Uberzeugung -keinen besonderen „Standort“ einnehmen, sondern eine „Funktion“ ausüben: die Funktion, den Menschen auf den Sinn des Lebens hinzuweisen.

(Der Autor ist unter anderem Direktor des Bildungshauses Schloß Puchberg.)

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