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Verstaatlichung gescheitert

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Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, daß die Reform von oben, die das Unterrichtsministerium der Erwachsenenbildung verordnen wollte, gescheitert ist. Die Erwachsenenbildung ist nicht nur auf die Freiwilligkeit der Teilnehmer, sondern auch auf jene der Mitarbeiter angewiesen. Sie lebt weitgehend vom Einfallsreichtum und vom Idealismus ihrer Mitarbeiter. Daher können auch alle Versuche zu einer Verstaatlichung der Erwachsenenbildung nur schaden. Die mit einer Verstaatlichung notwendig verbundene Verbürokrati- sierung würde außerdem so große finanzielle Mittel verlangen, daß sie in den nächsten Jahren auch von ihren Befürwortern kaum energisch versucht werden dürfte.

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Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, daß die Reform von oben, die das Unterrichtsministerium der Erwachsenenbildung verordnen wollte, gescheitert ist. Die Erwachsenenbildung ist nicht nur auf die Freiwilligkeit der Teilnehmer, sondern auch auf jene der Mitarbeiter angewiesen. Sie lebt weitgehend vom Einfallsreichtum und vom Idealismus ihrer Mitarbeiter. Daher können auch alle Versuche zu einer Verstaatlichung der Erwachsenenbildung nur schaden. Die mit einer Verstaatlichung notwendig verbundene Verbürokrati- sierung würde außerdem so große finanzielle Mittel verlangen, daß sie in den nächsten Jahren auch von ihren Befürwortern kaum energisch versucht werden dürfte.

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Aber auch unabhängig von solchen praktischen und finanziellen Überlegungen müßte die freie gesellschaftliche Initiative in der Erwachsenenbildung aus prinzipiellen Gründen erhalten und ausgebaut werden. Auf längere Sicht gesehen, braucht ein demokratisches Staatswesen eine größere Zahl von aktiven Bürgern. Das wird nur möglich sein, wenn diese auch außerhalb der staatlichen Verwaltung und außerhalb der Parteiorganisationen ein Feld der Tätigkeit für die Gemeinschaft haben. Die Erwachsenenbildung ist seit langem eines dieser Gebiete, und sie ist ein Gebiet, das in Zukunft noch wichtiger werden wird. Wenn aus dieser zunehmenden Bedeutung der Schluß gezogen werden sollte, daß der Staat in der Erwachsenenbildung das Heft fester in die Hand nehmen muß, dann hieße das, an dem Ast sägen, auf dem unser demokratisches Staatswesen sitzt.

Wenn es heute auch unter den Erwachsenenbildnern so manchen gibt, der eine Verstaatlichung für unausweichlich hält so ist dafür die finanzielle Situation maßgebend. Vor allem in der allgemeinen Erwachsenenbildung können nur sehr geringe Teilnehmergebühren erhoben werden, die die rapid steigenden Kosten qualifizierter Bildungsveranstaltungen nicht annähernd decken. Daß die fehlenden Mittel angesichts der wirtschaftlichen Situation und des Steuersystems nicht auf privatem Wege aufgebracht werden können, ist auch klar. Es bleibt in erster Linie die Förderung durch die öffentliche Hand, die derzeit in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Erwachsenenbildung steht. Besonders die allgemeinbildenden Einrichtungen haben das Gefühl, finanziell ausgehungert zu werden. Die Entwicklung der Subventionen spricht hier eine deutliche Sprache, wenn auch in der Öffentlichkeit immer noch von der Erhöhung der Subventionsbeträge von 1972 gespro chen wird, die durch die Inflation längst hinfällig ist.

Im Bereich der beruflichen Erwachsenenbildung, die an sich über eine sichere finanzielle Basis verfügt, findet derzeit ein gigantischer Umschöpfungsprozeß von Mitteln des Arbeitsmarkt-Förderungsgesetzes zugunsten des Berufsförderurigsinstituts (BFI) statt. Außerdem ist der Zugriff des Staates auch in diesem Bereich unverkennbar. Ob die wirtschaftliche Lage eine Fortsetzung dieser Politik in den nächsten Jahren ermöglichen wird, bleibt abzuwarten.

Um der Erwachsenenbildung in Zukunft eine sichere Grundlage, und zwar im-Sinne des Subsidiaritätsprinzips, zu schaffen, müßten in einem Gesetz mehrere Gesichtspunkte besonders berücksichtigt werden:

• Die Freiheit der Erwachsenenbildung, die sich auch auf die Wahl von Veranstaltungs- und Organisationsformen erstreckt, muß verfassungsgesetzlich gesichert werden.

• Den Erwachsenenbildungsver- bändeh müssen, wie in anderen Ländern, finanzielle Mittel zügesi- chert werden, deren gesetzlich festgelegte Höhe sich nach der Bildungstätigkeit, also nach der Leistung richtet.

• Es muß eine Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Volksbü- dungswesens (der Erwachsenenbildung) angestrebt werden, die einerseits dem föderalistischen Prinzip unserer Bundesverfassung Rechnung trägt und die anderseits doch auch eine gewisse bundeseinheitliche Entwicklung der Erwachsenenbildung fordert oder ermöglicht.

Vor kurzem hat die Abteilung V/4 des BMUK in Prof. Dr. Dillinger einen neuen Leiter. Er war lange Zeit in der Praxis der Erwachsenenbildung tätig, und man sagt ihm einen demokratischen Führungsstil nach. Möglicherweise wird es in den nächsten Jahren viel auf einen solchen Stil ankommen. Allein, wenn man die politische Situation in einigen Nachbarländern bedenkt, so wird man in der Erwachsenenbildung immer mehr den Konsens jenseits aller weltanschaulichen Differenzen suchen müssen. In diesem Zusammenhang ist auch auf positive Beiträge der neuen Gesellschaft und des Institutes für Politische Bildung zu hoffen.

Wie sich der kulturpolitische Maßnahmenkatalog des BMUK, die geplante Bildungsfreistellung und internationale Tendenzen wie die recurrent education auf die österreichische “ Erwachsenenbildung auswirken werden, läßt sich heute noch nicht abschätzen.

(Aus einer Studie der Sozialwis- senschaftlichen Arbeitsgemeinschaft)

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