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Erwachsenenbildung in der Krise

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Weniger als 0,5 Prozent des Bildungsbudgets fließt in Österreich in die Erwachsenenbildung. Dabei wird deren Stellenwert unterschätzt. Ein Kurs an der Volkshochschule oder einem vergleichbaren Träger ist für viele Menschen eine echte Chance auf gesellschaftliche Teilhabe. Das Motto: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans.

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Weniger als 0,5 Prozent des Bildungsbudgets fließt in Österreich in die Erwachsenenbildung. Dabei wird deren Stellenwert unterschätzt. Ein Kurs an der Volkshochschule oder einem vergleichbaren Träger ist für viele Menschen eine echte Chance auf gesellschaftliche Teilhabe. Das Motto: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans.

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Claudia P. aus Salzburg ist 25 Jahre alt, als sie das erste Mal ihre Affinität zu Frankreich entdeckt. Auf einem Städte-Trip nach Paris. „Land und Leute hatten mich so fasziniert, dass ich beschlossen habe, Französisch zu lernen.“ Ein Vorhaben, das die Bankangestellte auch umsetzt. In Form von mehreren Sprachkursen auf der VHS. Bretagne, Normandie, Ile de France, Nizza – fast jeden ihrer Sommerurlaube verbringt die heute 44-Jährige in ihrem Lieblingsland, lernt viel über die dortige Kultur, Geschichte, Politik. Im Fach Französisch gibt sie ihren Neffen sogar Nachhilfestunden, obwohl sie das Fach in der eigenen Schulzeit nie hatte. Auch ihr Chef wurde auf die Experise seiner Mitarbeiterin aufmerksam. Seither bindet er sie ein, wenn er mit französischen Geschäftskunden zu tun hat. „Natürlich hat dieser Umstand meine Position im Unternehmen gestärkt“, sagt Claudia P.

Matthäusprinzip: Gebildete bilden sich

Ausgelöst von einem VHS-Kurs nahm auch das Leben der dreifachen Mutter Klara Gruber eine Wende. „Ich habe einen Nähkurs gemacht. Seither schneidere ich die Kleidung für meine Kinder selbst - und bald hoffentlich noch mehr.“ Weil sie immer wieder auf der Straße angesprochen wird, wo sie das Kleid ihrer Tochter, die Jacke ihres Sohnes gekauft hat, entschließt sie sich, ihr Hobby zum Beruf zu machen. „Ich erstelle gerade einen Businessplan. Danach werde ich ganz offiziell Aufträge für Kinderkleidung annehmen und Selbstgenähtes im Internet verkaufen“, sagt Gruber. Beruflich ist dieser Plan eine echte Perspektive. Während ihrer ersten Schwangerschaft musste Gruber ihre Ausbildung zur Friseurin abbrechen. Ihre Jobaussichten sind dementsprechend überschaubar.

Die Geschichten von Claudia P. und Klara Gruber zeigen deutlich, dass das Konzept „Lebenslanges Lernen“ mehr ist als eine Floskel. Tatsächlich ist es eine tragende Säule im Bildungssystem oder wie es Mathias Klein vom Bildungsministerium ausdrückt: „eine bildungspolitische Notwendigkeit: Es braucht diese Bildungsangebote, um auf die neuen Anforderungen in der Arbeitswelt rasch zu reagieren und die gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern.“ Eine Maxime, die sich allerdings nicht in der öffentlichen Finanzierung widerspiegelt: 2020 flossen 22 Millionen Euro in den Bereich der Erwachsenenbildung – das sind gerade einmal 0,45 Prozent des Bildungsbudgets der Bundesregierung. Weitere Gelder stammen aus dem Europäischen Sozialfonds.

Gefördert werden jene 2500 Institutionen – die größten Träger sind VHS, WIFI, BFI und das Forum Katholischer Erwachsenenbildung – die den Anforderungen des Ö-Cert (Qualitätsrahmem für Erwachsenenbildung in Österreich) entsprechen. Damit soll sicher gestellt werden, dass sich Kurse für Erwachsenenbildung von jenen aus Freizeit, Gesundheit oder Esoterik klar abgrenzen. Selbstredend, dass sich die Pandemie auch auf deren Angebote ausgewirkt hat. „Die Coronakrise hat insbesondere dazu geführt, dass ein großes Spektrum an allgemeinbildenden Kursen nicht durchgeführt werden konnte. Dies betrifft Angebote zur politischen Bildung, viele Kreativangebote, aber auch Kurse und Seminare zur Persönlichkeitsbildung und zur Gesundheitsbildung“, sagt Gerhard Bisovsky, Generalsekretär des Verbands Österreichischer Volkshochschulen. Alle berufsbezogenen und abschlussbezogenen Kurse sowie Integrationskurse durften dagegen weiterlaufen. Das meiste online oder in hybrider Form .

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