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Erwachsenenbildung für ein tieferes Gottesverständnis

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Im Fünfjahresbericht „über den Stand der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Kirche in Österreich“ nimmt die katholische Erwachsenenbildung einen wichtigen Platz im Rahmen des kirchlichen Erziehungsund Bildungswesens ein. Sie wird dargestellt als kirchliche Bildungsbemühung eigener Art; sie weiß sich aber auch eingebunden in die gesamte gesellschaftliche Wirksamkeit der Kirche.

Das heutige Verständnis katholischer Erwachsenenbildung (KEB) ist die Frucht erfolgreicher Bildungsarbeit der von der Kirche getragenen

Bildungsinstitutionen für Erwachsene. Das auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil formulierte Bildungsund Kulturverständnis der Kirche, das sich an der gesamtmenschlichen Entwicklungsfähigkeit, seiner Gestaltungskraft und der zur Freiheit führenden Bestimmung des Menschen orientierte, leitete in der KEB „die anthropologische Wende“ ein. Festgelegte übernommene Bildungsgüter haben in den erwachsenenbildnerischen Veranstaltungen kaum einen Platz mehr. Katholische Erwachsenenbildung von heute weiß ihre Grenzen auch dort zu setzen, wo persönliches Bekenntnis oder eigenverantwortliche Aktion beginnt.

Betrachtet man die Situationsfaktoren der modernen Gesellschaft und die anthropologisch bestimmten Lebensphasen des Menschen, die beide in der Büdungsarbeit berücksichtigt werden müssen, dann wird man bemerken, daß sich die katholische Erwachsenenbüdung nicht in bisherige Pastoralformen der Kirche einbinden läßt. Die KEB ist auf dem Wege, sich genau so wie das kirchliche Schulwesen in seinem pluriformen Erscheinungsbüd zu einem eigenen kirchlichen Tätigkeitsfeld besonderer Art zu entwickeln. Man steht erst am Beginn dieses Entwicklungsprozesses, der erklärt, bei Mißverständnissen, Halbheiten und Teilkenntnissen in der Frage, welchen Beitrag die Kirche durch Erwachsenenbüdung in der modernen Gesellschaft zu leisten hat, die Standortsuche mitzubestimmen.

Darüber muß man weder beunruhigt sein, noch soü man dem Schicksal seinen Lauf lassen. Das Ziel, den Menschen entsprechend seiner Würde und Freiheit ein Stück weit in seine Mündigkeit bildnerisch zu begleiten, ist so groß, daß sich vermutlich die Frage nach der Erreichbarkeit als ständige Herausforderung und Provokation für die Gestaltung kirchlicher Büdungsarbeit heraussteüt. Katholische Erwachsenenbüdung hebt sich ab vom unterhaltenden Freizeitbetrieb; sie wül kein liturgischer Ersatz sein; Indoktrination und das gesamte Leben umfassende Verschulungstendenzen liegen ihr fern.

Katholische Erwachsenenbüdung orientiert sich an zwei markanten Pfeilern.

Dazu befand der österreichische Synodale Vorgang:

• zielorientiert: „Katholische Erwachsenenbüdung zielt auf ein tieferes Welt-, Daseins- und Gottesverständnis auf der Basis von Wissenschaft und reflektiertem Glauben...“ (6.3.1)

• problemorientiert: „Katholische Erwachsenenbildung wül den Erwachsenen befähigen und motivieren, an der theoretischen und praktischen Lösung personeüer, familiärer, beruf licher, kirchlicher und geseüschaftli- cher Probleme zu arbeiten...“ (6.4.1)

Die .Doppelbödigkeit“ der katholischen Erwachsenenbildung bringt große Chancen, aber auch etliche offene Fragen mit sich, die nicht selten zu Mißverständnissen führen. Eine ziel- und problemorientierte Erwachsenenbildung hat die Chance, durch ihre Bildungsveranstaltungen dem Erwachsenen mehr Lebensinhalt zu bieten, der sich dadurch ausdrückt, daß der Mensch befähigt wird, immer wieder neu seine Möglichkeit als Teü- nehmer am Arbeitsprozeß, als Familienmitglied, als in der Lebenserfahrung wachsendes Individuum, als verantwortliches Glied von Kirche und Geseüschaft und als Staats- und Weltbürger klar zu erkennen und besser zu verwirklichen. Was in diesem Bildungsprozeß der Erwachsenenbü- dung spezifisch, relevant oder peripher ist, kann nur am einzelnen Bti- dungsinhalt mit den ihm bestimmten didaktischen Begleitumständen entschieden werden.

Unter der Voraussetzung der ziel- und problemorientierten Büdungsarbeit entscheidet sich der besondere Beitrag der KEB am Lernort, dort, wo die BUdungsveranstaltung durchgeführt wird. Diese Basisrelevanz führt zur offenen Frage hin, daß KEB nicht gleich Gemeindekatechese ist. Sie läßt sich auch nicht mit dem religiös-theologischen Büdungsbereich abdecken. Religiös-theologische B üdungsarbeit steht in der katholischen Erwachsenenbüdung an vorderster Stelle.

So wie man bemüht ist, die politische Büdung nicht nur als BUdungs- inhalt sondern als „didaktisches Prinzip“ zu sehen - wobei man sagen muß, daß die Didaktik des didaktischen Prinzips in der Erwachsenenbüdung noch nicht geschrieben ist -, wird man ähnliche Überlegungen im Rahmen der religiös-theologischen i Erwachsenenbüdung ansteüen müssen.

Die katholische Erwachsenenbüdung wird dank ihres alle Lebensbereiche umfassenden Aufgabenverständnisses als integraler Teü der Erwachsenenbüdung in Geseüschaft und Staat anerkannt In Koordination mit den Einrichtungen der österreichischen Erwachsenenbüdung sucht sie ihren spezifischen Beitrag in der Bestimmung und Gestaltung der Lern- und Bildungsprozesse für Erwachsene zu finden und dadurch zur Entwicklung und Aufgabenerfüüung der gesamtösterreichischen Erwachsenenbüdung beizutragen.

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