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Vergeblicher Einsatz

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Die Erwachsenenbildung im allgemeinen, und damit auch die religiöse, wird heute als der zweite Bildungsgang bezeichnet. Ihr kommt somit auch im Leben der Kirche ständig wachsende Bedeutung zu. Die rechte Planung und Lenkung der Erwachsenenbildung ist daher auch für die Kirche vordringliche Aufgabe.Hier soll nicht von der inhaltlichen Seite der Erwachsenenbildung, sondern von einigen Aspekten der organisatorischen Planung die Rede sein. So sehr man sich über Ziel und Inhalt der Erwachsenenbildung im klaren ist, so wenig scheint dies bezüglich der organisatorischen Planung der Fall zu sein. Wir versuchen, im Folgenden auf einige Gefahren einer falschen Planung hinzuweisen.

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Die Erwachsenenbildung im allgemeinen, und damit auch die religiöse, wird heute als der zweite Bildungsgang bezeichnet. Ihr kommt somit auch im Leben der Kirche ständig wachsende Bedeutung zu. Die rechte Planung und Lenkung der Erwachsenenbildung ist daher auch für die Kirche vordringliche Aufgabe.Hier soll nicht von der inhaltlichen Seite der Erwachsenenbildung, sondern von einigen Aspekten der organisatorischen Planung die Rede sein. So sehr man sich über Ziel und Inhalt der Erwachsenenbildung im klaren ist, so wenig scheint dies bezüglich der organisatorischen Planung der Fall zu sein. Wir versuchen, im Folgenden auf einige Gefahren einer falschen Planung hinzuweisen.

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Die erste Gefahr sehen wir in dem Trend, alle Veranstaltungen der Erwachsenenbildung in den außerkirchlichen Raum zu verlegen. Der eigentliche Ort der religiösen Verkündigung ist und bleibt aber der Kirchenraum. Damit soll keineswegs geleugnet werden, daß man Kurse und Vorträge auch im außerkirchlichen Raum halten kann und bisweilen sogar muß. Aber die fast ausschließliche Verlegung aller Veranstaltungen der Erwachsenenbildung in den außerkirchlichen Raum scheint aus folgenden Gründen bedenklich:

Der eigentliche Ort der Glaubensverkündigung ist das Gotteshaus. Wenn dies auch nach wie vor bei der Eucharistiefeier und Sakramenten-spendung so bleiben wird, müßte es doch auch für die Glaubensverkündigung in außerordentlicher Form so bleiben. Man muß heute leider einen fühlbaren Mangel an bedeutenderen Predigern feststellen. Wird aber dieser Mangel durch die Verlegung beinahe aller außerliturgischen Verkündigung nicht noch gesteigert? Die öffentliche Predigt in der Kirche kann jeder besuchen. Es bedarf dazu weder einer Eintrittskarte, noch einer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Personenkreis. Geschlossene Veranstaltungen werden erfahrungsgemäß nur von organisatorisch erfaßten Gläubigen besucht. Wir bestreiten damit, wie schon gesagt, nicht die Berechtigung, ja sogar Notwendigkeit solcher Veranstaltungen, wir wollen nur der Bedeutung der Predigt im Kirchenraum das Wort reden. Zu unserer Überlegung kommt ferner noch, daß im sakralen Raum auch das Gebet mit dem Worte Gottes verbunden wird. In diesem Zusammenhang scheint es uns eine nicht geringe Einseitigkeit zu sein, daß man religiöse Veranstaltungen wie Exerzitien und ähnliches auf der Wiener Diözesan-synode einfach aus der Erwachsenenbildung ausklammert. Wird da nicht der Begriff „religiöse Erwachsenenbildung“ zu eng gefaßt? Es sei in diesem Zusammenhang auch noch auf einen anderen Aspekt dieses Problems hingewiesen. Saalveranstaltungen, besonders solche größeren Ausmaßes, sind kostspielig. Wird sich die Kirche einen ständig zunehmenden finanziellen Aufwand auf die Dauer leisten können? *

Damit sind wir aber auch schon bei einem weiteren Punkt unserer Überlegungen. Die Erwachsenenbildung soll doch die Breite des Kirchenvolkes erfassen. Dies dürfte in kleineren Gemeinden leicht zu verwirklichen sein, vielleicht auch noch in kleineren oder mittleren Städten. Schwierig aber wird es in größeren und besonders in den Großstädten. Deshalb scheint es uns bedenklich, die Erwachsenenbildung von vornherein auf einen nur kleinen Kreis einzuschränken. Erfahrungsgemäß wird bei derartigen Veranstaltungen aber leider nur ein sehr geringer Prozentsatz auch der interessierten Gläubigen erreicht. Es muß ein großer Apparat erhalten werden, die Propaganda kostet viel Geld und ist von geringer Wirkung. Infolge mangelnder Koordination werden die Veranstaltungen zu spät bekannt, Dder sie finden womöglich, wie es gar nicht so selten vorkommt, gleichzeitig statt. Der durch diese Propaganda angesprochenen Kreis von Gläubigen ist immer derselbe. Es sind die Angehörigen religiöser Gruppen, die durch das Vielerlei des Angebots schon ermüdet sind. Der Aufwand an Arbeit und Geldmitteln entspricht dann meistens nicht dem Erfolg. Gibt es in einer Großstadt wie Wien eine Anzahl von Einrichtungen, die sich mit Erwachsenenbildung befassen, dann vergrößert sich dieser Mißstand noch. Es handelt sich hier leider nicht nur um die Kostenfrage, sondern um das weit Wichtigere, um die Kräfteökonomie. Es werden oft Referenten überflüssig strapaziert, weil vieles zwei- und dreifach geschieht. Müßte man nicht auch fragen, ob auf den beschrittenen Wegen — und es gibt noch keine Anzeichen dafür, daß man diese Wege endlich einmal überdenkt — die maßgeblichen Schichten des Kirchenvolkes überhaupt erreicht werden? Kostspielige Bildungsarbeit müßte sich auch einmal bezahlt machen, sie müßte Früchte zeitigen. Wenn aber nur ältere Menschen, denen wir sicher nicht das Recht auf Bildungsaneignung absprechen wollen, erreicht werden, scheint er hier dem Ziel der Erwachsenenbildung nur sehr unzulänglich zu entsprechen, und die finanziellen und personellen Opfer, die sie fordert, sind dafür viel zu hoch.

Noch einmal sei hier, von einer anderen Sicht her, der Standort der Erwachsenenbildung ins Auge gefaßt! Wir sagten oben, daß der Kirchenraum ein primärer Ort der Erwachsenenbildung bleiben müsse. Betrachten wir nun den Raum der Pfarre und der katholischen Laienvereinigungen. Die entscheidenden Schichten der Erwachsenen, die 20-bis 50jährigen, sind schon in den lokalen Gemeinden (Pfarren) und in den kategorialen Gemeinden (Vereinen) nur schwer zu erfassen. Aber zu diesen haben sie noch eine Bindung. Zu allgemeinen Veranstaltungen fehlt die Bindung. Daher scheint es uns wichtig zu sein, daß die religiöse Erwachsenenbildung in besonderer Nähe zu diesen konkreten Gemeinden geschehe. Damit ist auch noch ein weiteres erreicht: daß nämlich die Erwachsenenbildung im engsten Kontakt mit der Heilssorge dei Kirche, also mit der Seelsorge bleibt Die Doppelgeleisigkeit zwischen Schule und Pfarre in der Stadt isl schon bei der Betreuung der Jugenc bisweilen ein schwer zu lösendes Problem, besonders, wenn zwischen Schule und Pfarre gar kein Kontakt besteht. Doch läßt sich im Schulalter und auch bei Hochschulstudenten dieser Mißstand wenigstens teilweise durch gute Schüler- und Studentengemeinschaften ersetzen. Nicht so aber bei den Erwachsenen, weil bei ihnen ja die Verschiedenheit der Lebens- und Arbeitsverhältnisse sehr groß ist und nur schwer zeitlich und örtlich gemeinsame Veranstaltungen angesetzt werden können. Die örtliche Pfarre aber und der Verein, der auch gesellschaftlichen Halt bietet, sind noch solche Punkte. In diesen Räumen besteht der Kontakt zu Priester und Kirche. Deshalb sollte die religiöse Erwachsenenbildung nur soweit, als ihre Aufgaben überhaupt anders nicht zu bewältigen sind, nicht ganz von diesen Räumen losgelöst werden. Rein kursmäßige oder außerkirchliche Veranstaltungen bergen die Gefahr in sich, den Kontakt mit dem organischen Leben der Kirche zu verlieren.

Somit müßte verhindert werden, daß einerseits die jetzt schon zu zahlreichen, sich gegenseitig konkurrierenden Bildungseinrichtungen noch durch Superstrukturen vermehrt und die religisöe Bildungsarbeit noch mehr von der religiösen Gesamtbetreuung losgelöst werden. Es besteht die Gefahr, daß Gelder und Kräfte nicht zum größeren Nutzen, sondern wahrscheinlich zum Schaden der gesamten Heilssorge der Kirche eingesetzt werden. Anderseits könnte durch völlig übergeordnete Bildungseinrichtungen einem einseitigen Dirigismus und einer Monopolisierung der Bildungsarbeit Vorschub geleistet werden. Wie schädlich sich solche Einrichtungen auswirken und wie kostspielig sie durch einen sich selbst aufblähenden Verwaltungsapparat sind, konnte man in den letzten Jahrzehnten an der falsch strukturierten KA sehen. Auch ihr ist der Kontakt zwischen den örtlichen Pfarrgemeinden und den kategorialen Gemeinden nicht gelungen.

So müßte vermieden werden, daß aus der Planung der religiösen Erwachsenenbildung eine Verplanung entsteht, daß Apparate noch mehr aufgebläht werden, die sich zum Selbstzweck machen, daß die Gelder der Kirche und noch mehr ihre geistigen Potenzen falsch eingesetzt werden, weil die Neigung zur Monopolisierung die Überhand gewinnt.

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