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Wege der Verwirklichung

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Am einfachsten ist dieses Ziel zu erreichen bei Kirchen, in denen eine „Vierung“ vorgegeben ist. Wo ein Langhaus und ein Querhaus sich durchdringen, ist der Raum dieser Kreuzung für den Altarbereich nahegelegt. Schwierigkeiten ergeben sich häufig nur in den jeweils anderen Details der Stufenführung, der räumlichen Einordnung bei hohen Kuppeln oder weit auseinander liegenden Vierungspfeilern, wo die überzeugende räumliche Einbettung mit Umsicht geschaffen beziehungsweise gesucht werden muß.

Schwieriger ist es dort, wo der Altarbereich an die Schwelle zwischen einem tiefen Chor und einem, weiten Volksraum treten soll. Hier besteht meist die Gefahr einer Abschnürung der beiden Raumteile, wenn der Altar direkt in die Eng-telle tritt. Es ist sinnvoll, den Altar entweder vor die Engstelle vorzuziehen, in den Volksraum etwas herein, oder ihn hinter der Engstelle im vorderen Teil des zurückliegenden Chores einzurichten.

In all diesen Fällen sind Voruntersuchungen notwendig. Sie haben die günstigste Höhe des vorgezogenen Zentrums zu bestimmen (häufig sind drei bis vier Stufen über dem Niveau des Volksraums erforderlich). Sie haben die Sichtschatten durch allen-

falls gegebene Säulen zu berücksichtigen und vor allem aus einer verständigen Analyse des gegebenen Raumes die Stellen zu ermitteln, die eine überzeugende räumliche Einbindung nahelegen oder zulassen. In der Jesuitenkirche in Innsbruck zum Beispiel ist ein kostbarer, alter Vierungsstern, der in der Entwicklung dieser Vierungssterne bisher sowohl kurastgeschichtlich als auch denkmaflpflegerisch stark vernachlässigt worden ist, das bereits vorgegebene Maß für den Stufenauflbau einer Altarstelle unter der Kuppel. Bs wäre schade, wenn mangels der Zusammenarbeit zuständiger Stellen solch Gelegenheiten nicht genützt werden und man sich mit Volks-altären behalten, muß, die derartige Bodenmotive mit den ohnehin schon daraufgestellten' Bättk'eh vollständig verstellen.

Die Voruntersuchung wird jedoch auch die Frage stellen, welche alten Einrichtungsstücke entbehrlich sind, Ohne Schaden für den ganzen Raum ausgeräumt werden können oder sich auf eine einfachere, ältere Form zurückführen lassen. Hier ist die Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt besonders vonnöten. Andernfalls würde die ohnehin oft schon überladene Kirche durch die hinzutretenden neuen Zentren in einer un-

guten Weise nun vöLUg „angeräumt“ wirken.

Es ist nicht nur der zentrale Platz einer vorgezogenen Mensa einzurichten, es sind eine Reihe weiterer Kultorte in bezug zu dieser Mensa anzuordnen. Hier sind in erster Linie

der Vorsitz des Priesters, der Amibo mit dem Aufbewahrungsort des Evangelienbuches, der Platz für die Scheda, die Taufe und vor allem der meist sehr schwierig zu findende Platz für den Tabernakel zu nennen. Die Geschichte der Sakraments-häuser und der Wandtabernakel bietet wertvolle Anhaltspunkte. Soll der Tabernakel am alten Retabelaltar vertJleitfen, dann ist das nur bei großen Kirchen möglich, in denen mindestens sieben Meter (Nußbaum) Abstand vom alten Tabernakelaltar zur vollgezogenen Mensa gewährleistet sind. Auf jeden Fall wird man versuchen, diesen zurückliegenden Taibernakelaltar optisch zum Hintergrund zu machen, eventuell spätere Zubauten zu beseitigen und den gesamten Aufbau zu vereinfachen. Es ist jedoch selbstverständlich, daß wertvolle, alte, aus einem Guß gewachsene künstlerische

Einheiten von Retabel und Altar unangetastet bleiben. Auch dort, wo der Tabernakel einen neuen seitlichen Platz erhält, dürften wertvolle alte Tabernakel, etwa die kostbaren Rotunden der Barockzeit, nicht ein-fachhin abgebaut werden, wenn sie künstlerisch erhaltenswert sind. Man muß bedenken, daß auch die vergangenen Jahrhunderte die Sakramentshäuser und Wandschreine bewahrt haben, als sie außer Gebrauch gekommen sind. Dasselbe gilt für die

Kanzel dort, wo sie durch einen neuen Amibo außer Gebrauch kommt. Ist sie ein wesentliches Element des Raumbildes, dann muß sie erhalten werden. Allenfalls wären Versetzungen zu erwägen, wo sich starke Behinderungen für das neue Kultzentrum ergeben.

Bei der Freistellung alter Re-tabeln, die am Sockel ergänzt werden müssen, weil ihnen häufig entbehrliche Altarbauten des 19. Jahrhunderts ohne viel Wert erst später vorgestellt wurden, soll man auf billige und jämmerliche Imitationen verzichten und dem Bildhauer unserer Tage eine echte Chance geben. Nur echte künstlerische Leistung aus den Möglichkeiten unserer Zeit kann hier einen dem alten Raumgefüge gemäßen Beitrag leisten. •

Man muß genau wissen, was man will. Dazu empfiehlt es sich, durch längere Zeit mit Provisorien Er-

fahrungen zu sammeln. Die Provisorien sollen jedoch so eingerichtet werden, daß in jeder Phase der Neuordnung die Würde des Raumes gewahrt bleibt. Man darf schon sehen, daß es sich um ein Provisorium handelt, aber auch dieses muß in der Art der Gestaltung, in der Wahl des Materials, in der Einfügung ins Raumbild, in der Sorgfalt der Pro-portionierung angemessen sein. Die Beiziehung eines Architekten ist in jedem Fall unerläßlich.

Aufgeschlossene Denkmalpflege

Es ist nur billig und recht, daß die Diözesen Weisung gageben haben, daß keinerlei Veränderungen ohne Zustimmung der zuständigen Diöze-sanstellen geschehen dürfen, die ihrerseits schon vor der Bischofskonferenz, welche die neuen Durchführungsbestimmungen beschlossen .hat, den Kontakt mit dem Denkmalamt aufgenommen haben.

Die engste und erfolgreichste Zusammenarbeit in Österreich besteht zur Zeit in Salzburg, wo kirchliche Stellen und Denkmalamt einvernehmlich vorgehen. In Wien und im Raum um Wien ist trotz langer Vorbereitungen und mehrfacher Beratungen noch kein nennenswerter Erfolg an Zusammenarbeit und noch kein beispielhaftes Ergebnis zu verzeichnen. Das Beharren der Denkmalpfleger auf Details selbst dort, wo es um Ausstattungen der Jahrhundertwende geht, und das Hinauszögern von Entscheidungen — es werden nur Provisorien befürwortet — hat zwar in Einzelfällen dazu geführt, daß sich die Seelsorger mit Provisorien oder Ablehnung vorläufig zufriedengeben mußten; es ist dies aber insofern ein Pyrrhussieg der Konservatoren, als die erreichten mageren Ergebnisse nun dazu führen, daß manche Pfarren trotz wiederholter Weisungen seitens der kirchlichen Obrigkeit Lösungen auf eigene Faust unter Umgehung der Fachleute versuchen. Man müßte einsehen, daß in dieser Lage eine einvernehmliche Zusammenarbeit bei größter Aufgeschlossenheit das einzige Mittel ist, um eigenmächtige und halbe Lösungen zu vermeiden.

Als Grundsatz kann gelten: zu erhalten ist, was „aus einem Guß“ ist. Zu erhalten ist an wertvollem Kunstgerät und an Einrichtung auch das, was nicht mehr im liturgischen Gebrauch steht. Auszuräumen oder an andere Stellen zu versetzen ist, was das Wesentliche und Wertvolle an Einrichtung eher verdeckt oder nicht voll zur Geltung kommen läßt. Das Vielerlei weniger wertvoller Einrichtungsstücke bedrängt nicht nur das Wesentliche und verstellt nicht nur den Raum, sondern führt häufig auch dazu, daß zusammen mit den nun notwendig gewordenen neuen Einrichtungsstücken, wie Pult, Vorsitz und anderem, kein genügender Entfaltungsraum bleibt für eine wirkungsvolle Liturgie als Handlung von Personen. Vor lauter Sorge um alte Einzelstücke und Einrichtungsgegenstände wird der Raum selbst oft vernachlässigt. Wo es gelingt, ihn zur Geltung zu bringen, ist meist auch die beste Voraussetzung für die Entfaltung der Liturgie gegeben.

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