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Jugend fordert heraus
Rund hundert Teilnehmer aus zwölf europäischen Ländern (auch aus Jugoslawien, Ungarn und Polen) diskutierten vom 12. bis 14. Mai in Wien-Neuwaldegg über die „Jugend in Europa“ als Herausforderung an die katholische Erwachsenenbildung. Als Veranstalter dieser Tagung fungierte die 1963 gegründete „Europäische Föderation für Katholische Erwachsenenbildung (FEE- CA)“, die als Dachorganisation europäischer katholischer Erwachsenenbildungsorganisationen sich den gesamteuropäischen Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung ebenso zur Aufgabe gemacht hat wie die Zusammenarbeit in Forschung und Lehre und die Vertretung der gemeinsamen Belange bei den internationalen Organisationen.
Nach exemplarischen Darstellungen der Situation „der Jugend“ anhand der Jugendunruhen in Zürich, der Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, anhand der Jugendsekten, kirchlicher Jugendarbeit und Jugendarbeit in Ungarn vertrat der Leiter des Wiener Instituts für empirische Sozialforschung (IFES) Ernst Gehmacher die Ansicht, daß der bei der Jugend sichtbare postmaterialistische Wertwandel ein Anpassungsversuch an die Probleme der Wohlfahrtsgesellschaft sei.
Die nirgends einheitliche Jugend sei von den in einer pluralistischen Gesellschaft herrschenden Wertkonflikten stärker verunsichert und gespalten als die Älteren. Eine neue Ethik zur friedlichen Bewältigung dieser Spannungszustände und Konflikte müßte entwickelt werden, diese Ethik müßte gleichzeitig auch in die Erziehung — in der Familie, in der Schule — integriert werden. Die Jugend und ihre Dynamik könne einerseits ihre Kräfte für eine Harmonisierung einsetzen, andererseits könne es bei mangelhafter Sozialisation zum explosiven Ausbruch kommen.
Nach einem Überblick über den Wertewandel der Jugend im europäischen Raum und der Diskussion von Teilnehmererfahrungen zum Thema kristallisierten sich einige Konsequenzen für die katholische Erwachsenenbildung heraus, die FEECA-Präsident Werner Rück (Freiburg) etwa so zusammenfaßte:
Jugendprobleme als Ausdruck unbewältigter gesellschaftlicher
Probleme erforderten, daß die Gesellschaft sich auf sie einläßt und die eigenen Werthaltungen kritischer reflektiert. Die nur scheinbar völlig freie Wahl der Werte in einer pluralistischen Gesellschaft setze allerdings die Fähigkeit zur Auswahl und Selbstbestimmung voraus. Den durch das Verhalten der Jugend irritierten Erwachsenen müßten Verstehenshilfen angeboten werden, die gemeinsame Suche nach Lösungen sei auch deswegen nicht einfach, weil christliche Erwachsenenbildung häufig mit traditionellen gesellschaftlichen Wertsystemen verbunden sei. Die Einbringung christlicher Wertvör- stellungen — orientiert am Lebensentwurf Jesu — wolle Verhaltensänderungen oder Verhaltensbestärkungen bewirken, das bedeute aber auch die Notwendigkeit, daß Angst- und Vorurteilsbarrieren von den Erwachsenen überwunden werden müßten. Tolerante und gleichzeitig in der eigenen Meinung feste Erwachsene sollten mit der Jugend in einen entschiedenen Dialog treten und mit ihr gemeinsam neue Formen des Zusammenlebens entwickeln.
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