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Christliche Jugendarbeit im neuen Selbstbewußtsein

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Zwischen 1971 und 1975 wurde der Höhepunkt der Krise der kirchlichen Jugendarbeit überwunden. Dies zeigt sich an einem steigenden Selbstbewußtsein an den Regelungen durch den österreichischen Synodalen Vorgang und am gezielten Angehen von Problemfeldem und Konflikten.

Die Österreich-Synode stellte fest, daß die Begriffe „Kirchliche Jugendarbeit” und „Jugeridpastoral” im allgemeinen gleichgesetzt werden. Darunter wird dreierlei verstanden: 1. die Tätigkeit aller kirchlichen Jugendorganisationen, 2. die Arbeit der diözesanen und gesamtösterreichischen Dienststellen für Jugendpastoral und 3. die der Jugendzentren mit regionaler oder kategorialer Aufgabenstellung (Studenten, Arbeiterjugend). Die „Katholische Jugend” und ihre Gliederungen werden unter 1. miteinbezogen.

Gesellschaftlich relevante Aspekte der Jugendpastoral liegen in der gezielten Ausbildung haupt- und ehrenamtlicher Jugendleiter, beispielhaft für den Gesamtsektor der außerschulischen Jugendarbeit; in der intensiven Auseinandersetzung mit Trends in der jungen Generation (Emanzipation, gesellschaftspolitisches Engagement, Moralvorstellungen); in der Mitarbeit an jugendpolitischen Fragen (Bundesjugendring, Institut für Jugendkunde, überparteiliche und überkonfessionelle Institutionen); im Aufbau einer größeren Anzahl zum Teil bedeutender Jugendzentren; zusätzlich in der Intensivierung der politischen Bildung unter Jugendlichen sowie der Mitarbeit in der Entwicklungshilfe.

Der insgesamt optimistische, aber nüchterne Bericht der Bischöfe läßt allerdings nur in Ansätzen durchblik- ken, in welche Richtungen die Entwicklung der Jugendpastoral zumal in ihrer Wirksamkeit für die Gesellschaft verläuft:

• Das Einlassen auf den Plura lismus: „Jugend” ist ein differenziertes und vielschichtiges Phänomen. Da gab und gibt es junge Leute, die in Kemgemeinden aufwachsen mit mehr oder minder kritischer Einstellung zum Vorgefundenen. Dann gibt es Jugendliche, die am Rand des kirchlichen Lebens stehen, die sich viel von dieser Kirche erwarten und sehr empfindlich sind gegen alles, was sie als „Vereinnahmung” empfinden. Schließlich gibt es viele Jugendliche, die völlig neben der Kirche leben, sei es konsumkonform oder als Außenseiter und „Randschichtler”. Kirchliche Jugendarbeit wird sich der gesamten Bandbreite stellen müssen. Sie wird damit sowohl der Kirche als der Gesellschaft einen großen Dienst erweisen, weil sie es sich nicht einfach macht, sondern ständig auf Konflikte verweist (die sie auch selbst betreffen) und Modelle der Versöhnung schafft.

• Die Entwicklung der Jugendpastoral wird weiters durch die Idee der gewaltfreien Partnerschaft bestimmt werden. Die Sensibilität vieler junger Menschen gegenüber allen Arten von Ungerechtigkeit und Unterdrückung, von Zwang und Gewalt wird als wertvoller Impuls in der Kirche wirksam und mit gleichgesinnten Kräften verbunden werden. Nach mancherlei Krisen hat man in der kirchlichen Jugendarbeit verstanden, daß es an einem selbst liegt, den ersten Schritt zu tun und nicht zu warten, daß sich andere verändern. Das wird sich nicht in Philosophien, sondern in reflektierter Aktion abspielen. (Als typische Beispiele seien nur das Bemühen um die Anerkennung des Zivildienstes als eines gleichwertigen Dienstes für die Sicherung und Einhaltung des Friedens sowie das Bemühen um Verständnis für die Lebensprobleme in der Dritten Welt genannt.)

• Der Abbau von Feindbildern ist ein weiterer Markierungspunkt in der Entwicklung der Jugendpastoral. Der Grundgedanke der gewaltfreien Aktion wie auch der christlichen Tradition, nicht der Gegner, sondern das Unrecht, unter dem letztlich auch er leidet, zu überwinden, wird sich immer stärker durchsetzen. Vorurteile, Klischees, Diskriminierung werden als solche bezeichnet und durch differenziertes Verständnis ersetzt werden. Der Dienst kirchlicher Jugendarbeit wird zweifellos der sein, vorhandene Ängste zu vermeiden und offene Auseinandersetzung zu fördern.

• Die politisch Verantwortlichen auf ihre Aufgaben in der Jugendpolitik hinzuweisen, wird ebenso eine Funktion der Jugendpastoral sein. Schule, Familie, Freizeitangebote genügen nicht, um jungen Menschen den nötigen Lebens- und Lemraum zu sichern. Das wird allerdings kein Ruf nach zentralistischer Jugendorganisierung nach dem Muster von Rechts- und Linksdiktaturen sein, sondern nach Wahrnehmung politischer Verantwortung und zugleich nach Änderung des politischen Stils überhaupt.

• Die Bildung junger Menschen wird ein wichtiger Dienst der Pastoral an und mit jungen Menschen bleiben.

Verbesserte Methoden, neue Modelle der Vermittlung werden in jenen Bildungsbereichen eingesetzt werden, in denen Defizite festgestellt werden. Das werden vor allem die Gebiete Theologie, Politik, Ideologiekritik, Geschichte, Kreativität, Partnerschaft, Medien und ähnliche sein.

• Ein neues christliches Selbstbe- wußtsein wird es der kirchlichen Jugendarbeit ermöglichen, Kirche in dieser Welt glaubhaft zu leben. Dieses Selbstbewußtsein wird sich in zielorientiertem Arbeiten, in grundsätzlicher Bereitschaft zu partnerschaftlicher Kooperation, in aufnahmebereiten und offenen Gesprächen über die Grundlagen christlichen Lebens und Handelns, in einer zunehmenden Zahl von Vorschlägen für die Bewältigung von Problemen in verschiedenen pastoralen und gesellschaftlichen Berei-, chen, ja in einer Art neuen kirchlichen Stils zeigen, der sich aus der Kommunikation der verschiedenen Ansätze der kirchlichen Jugendarbeit miteinander ergeben wird. Was in Taizö und von Taize aus außerhalb der eigentlich kirchlichen Strukturen modellhaft gelebt wird, wird „transformiert” ebenfalls im kirchlichen Organismus Eingang finden.

Ob diese Vorausschau so oder überhaupt zutreffend sein wird, hängt sicherlich von verschiedenen Faktoren ab, die nur zum Teil in der Hand der Jugendpastoral liegen. Unbestreitbar dürfte jedoch sein, daß der Impuls der Jugendarbeit, den jungen Menschen, seine Situation und seine Ideen ernst zunehmen, kaum seine Wirksamkeit einbüßen wird. Im Gegenteil: Immer mehr Gruppen Jugendlicher versuchen einen alternativen und christlichen Stil zu leben, der wesentliche Grundwerte kirchlicher Tradition ernst nimmt, wenn er auch nicht immer gleich so verstanden wird.

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