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Kabinett umbilden!

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Bundeskanzler Franz Vranitzky wird nicht umhin können, in absehbarer Zeit das zu tun, was er schon längst tun hätte können und müssen, wenn ihm hinreichend bewußt gewesen wäre, daß regieren nicht bloß reagieren, sondern in erster Linie Weichen stellen und vorausplanen bedeutet: Vranitzky ist gut beraten, wenn er die Gelegenheit, die sich durch den Lucona-Ausschuß und dessen Untersuchungen ergibt, berützt, um Schwachstellen des Kabinetts und/oder Überbleibsel aus der Ära Kreisky zu beseitigen und durch zeitgemäßere Repräsentanten zu ersetzen.

Würde Vranitzky nicht in diesem Sinne tätig werden, so wäre dies ein Zeichen mangelnden innerparteilichen Spielraums oder fehlender personeller Reserven. In einem solchen Falle wäre nicht nur die Handlungsfähigkeit der Regierung gelähmt, auch die SPO hätte, vor allem bei den bevorstehenden Landtagswahlen, mit einer schweren Hypothek zu kämpfen und würde nicht nur auf hohem Niveau stagnieren, wie es wohl auch sonst der Fall wäre, sondern müßte mehr oder weniger starke Verluste hinnehmen. Vranitzky würde dann als ein Parteiobmann, der den Niedergang der Partei nur kurzfristig aufgehalten hat, in die Geschichte eingehen.

Dabei hat Vranitzky von der historischen Situation und der Bedarfslage, aber auch von seiner persönlichen Position her, die mit der Politik nicht auf Gedeih und Verderb verbunden ist, sondern Alternativen offen hat, die einmalige Chance, seinen Willen durchzusetzen.

Jedenfalls wäre es zu wünschen, daß er sich dieser latenten Stärke mehr bewußt wird, sie auch ausspielt und sich nicht bloß als Resultante innenpolitischer und innerparteilicher Kräfteverhältnisse, sondern als primärer Motor und Entscheidungsträger versteht. Vranitzky sollte sich etwas mehr die Kunst Gorbatschows, das Gesetz des Handelns an sich zu reißen, seine Gegenspieler zu präjudizieren, insgesamt also den Ton anzugeben, zu eigen machen, und auch etwas vom Draufgängertum des von ihm sonst so verachteten Jörg Haider würde ihm nicht schaden.

Im konkreten Fall müssen Strukturreformen, wie Maßnahmen gegen die Bürokra-tisierung der Partei, mit Personalmaßnahmen zusammengreifen und koordiniert werden, wenn die SPO aus der Sackgasse, in der sie sich zu ihrem historischen Jubiläum befindet, herauskommen soll. Vranitzky wird historisch danach gewertet werden, ob er sich dieser Herausforderung, die mit seinem Amt unter den vorhandenen Umständen untrennbar verbunden ist, gewachsen zeigen wird.

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