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SPO - und kein Land in Sicht
„Wenn ich mir den Wörther See ansehe, sehe ich Land“, schwärmt SPÖ-Chef Bundeskanzler Franz Vranitzky in Zeitungsinseraten: Die Seen sind sauber.
Das haben sie der Politik voraus. Ihre „Lucona“-Sumpfblüten und „Noricum“-Schlingpflanzen sind widerstandsfähiger als die Algen. Mit dem Blick auf die Partei: kein Land in Sicht.
Noch keine andere politische Partei ist in dieser Republik in so kurzer Zeit unter solchen Umständen um eine Führungsgeneration gekommen. Und wenn viele SP-Funktionäre jetzt unter dem Eindruck stehen, daß „gesunkene Schiffe und monatelang nicht gefundene Zuckerbäcker und alles damit Zusammenhängende der Inbegriff der Politik“ (Vranitzky) seien, dann kommt das ja nicht von ungefähr. Darauf werden sie angesprochen, das wird ihnen vorgehalten: von irritierten Parteimitgliedern, von verärgerten Wählern.
Mißtrauen und Mißerfolg - im letzten Jahrzehnt hat die erfolgsverwöhnte SPÖ ein Fünftel ihrer Klientel verloren - auf der einen, Orientierungsprobleme - ja, auch die Diskrepanz zwischen festgeschriebenem Parteiprogramm und praktischer Politik - auf der anderen Seite: unter diesen Vorzeichen tagt der Bundesparteitag, zu dem sich die Sozialisten jetzt in Graz versammeln.Die Sozialisten trösten sich damit, daß „auch andere Bürden haben“ (Vranitzky), daß auch der Koalitionspartner ÖVP nicht Oberwasser bekommt. Ein schwacher Trost. Denn beide Regierungsparteien sind zerzaust und in einer angegriffenen Verfassung.
Auf neun Buchstaben ruhen die sozialistischen Hoffnungen: Vranitzky. Wen sonst hätte die Sozialdemokratie noch aufzubieten? Abgekoppelt von den Sympathiewerten der Partei, hält er die SPÖ über Wasser. Und dem trägt auch der Grazer Parteitag Rechnung: eine Vranitzky-Schau. Und eine Show dazu.
Das Manifest „Sozialdemokratie 2000“, mit dem die SPÖ für die Nationalratswahlen des kommenden Jahres rüstet, schwindelt sich am Grundproblem sozialistischer Programmatik vorbei. Was ist denn an sozialistischen Grundwerten überhaupt noch wirksam? Wie strebt denn diese Partei unter Franz Vranitzky heute der klassenlosen Gesellschaft zu? Welchen Stellenwert haben denn noch Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität (siehe auch Seite 2)?
Alle möglichen Ausreden mußten gefunden werden, um etwa kinderreiche Familien, die an oder unter der Armutsgrenze leben, bei einer maßgeschneiderten materiellen Besserstellung auszubooten. Versteht das ein „kleines“ Parteimitglied? Versteht es, daß es sich als Arbeiter mit dem Genossen Generaldirektor zu solidarisieren hat, während ihm die Probleme eines Kleinbauern oder Greißlers längst näher stehen und näher gehen?
Der Widerspruch ist groß: daher ist kein Land in Sicht.
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