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Standfestigkeit
Es gibt historische Situationen, die einen Politiker dazu befähigen, ja heraus- fordem, über die normale und von der Verfassung vorgesehene Funktionsausübung hinauszuwachsen und aus Verantwortungsgefühl mehr zu tun, als er müßte. In einer solchen Situation befindet sich gegenwärtig und wohl noch auf längere Zeit der österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky.
Obwohl der österreichische Bundeskanzler im Gegensatz zu dem der Bundesrepublik Deutschland laut Verfassung keine Richtlinienkompetenz hat, nimmt Vranitzky doch auf Grund der konkreten Umstände eine beherrschende Stellung im Kabinett ein; er ist weit mehr als ein primus inter pares.
Darüber hinaus hat Vranitzky einen immer mehr verblassenden Parteiobmann der eigenen Partei, zum Teil aber auch den der anderen Koalitionspartei, zu betreuen und deren Schwächen auszugleichen. Darin erschöpft sich seine Mission aber noch keineswegs. Vranitzky hat als vielleicht wichtigste Aufgabe dafür zu sorgen, daß die große Koalition hält.
In Wahrnehmung dieser Aufgabe ist er gut beraten, wenn er vor allem in allen Fragen, die mit Bundespräsident Kurt Waldheim Zusammenhängen, seine auch während des Besuches in den Vereinigten Staaten so konsequent verfolgte Linie der Solidarisierung mit dem attackierten österreichischen Staatsoberhaupt beibehält und sich weder von linken Eiferern noch von seinem Vorvorgänger Bruno Kreisky von ihr abbringen läßt. Denn eine Desolidarisierung gegenüber Waldheim oder ein Drängen auf dessen Rücktritt könnte leicht zu einer Koalitionsfrage werden und die große Koalition sprengen.
Vranitzky hat mehrere gute Gründe, an der großen Koalition festzuhalten und sie nicht durch Belastungsproben, die für den Koalitionspartner unzumutbar sind, zu gefährden.
Es sind Gründe der Staatsräson, aber auch der Parteiräson und der persönlichen politischen Karriere, die ihn zum Festhalten an seiner Linie bewegen müssen. Denn nach einer Sprengung der großen Koalition hätte Vranitzky keine politische Option mehr: eine Wiederherstellung der großen Koalition nach einem Bruch wäre ähnlich unvollziehbar wie eine Rückkehr zur kleinen rotblauen, jedenfalls unter seiner Führung.
Im Falle eines Scheitems der großen Koalition würde eine Rechts-Links Polarisierung einsetzen, die in unseren Breiten noch allemal zugunsten der Rechten ausgegangen ist und sich leicht nach deutschem Muster in eine schwarz-blaue Koalition wenden könnte.
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