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Kampf um Macht und Liebe

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Drei Uraufführungen seit Beginn dieser Spielzeit - die vierte, das neue Henry-Dunant-Stück von Dieter Forte, soll im Februar folgen - und noch zeichnet sich nichts ab, was zumindest das letzte Jahr der Ära Hollmann fulminant herausheben könnte. Im Gegenteil, die Kalamitäten, die zum Ende der vergangenen Spielzeit den Österreicher Hollmann veranlaßten, vom bereits unterschriebenen Verlängerungsvertrag abrupt zurückzutreten und die von der traditionellen Basler Stadtverwaltung, je nach Vorwand und Spielplan, von „faschistisch“ bis „kommunistisch“ kommentiert wurden, erweisen sich wieder einmal als recht virulent. So mußte sich der Basler Theaterchef jetzt entschließen, das für diese Saison geplante Stück von Christopher Marlowe (1563 bis 1593), „Der Jude von Malta“, abzusetzen, weil Befürchtungen laut geworden waren, einige darin enthaltene Ansätze könnten antisemitisch verstanden werden. Zusätzlich warnte in diesem Falle noch die israelitische Gemeinde in Basel vor falschen Reaktionen auf die historisch-gesellschaftskritische Analyse des Shakespeare-Zeitgenossen.

Ein weiterer wunder Punkt, damals von Hollmann verbittert und resigniert kommentiert, war das zur Uraufführung angenommene Stück „Die Amazonen“ des DDR Autors Stefan Schütz und seine Realisierung durch das DDR-Team Uta Birnbaum (bürgerlich Frau Schütz) und Alwin Ek-kert. Der magere Erfolg, den der Premierenabend jetzt erringen konnte, steht in keinem Verhältnis zur Arbeit und zur Präzision, um die sich ein gutes Ensemble bemühte. Freilich ist Stefan Schütz, Jahrgang 1944 und der jungen Generation um Heiner Müller zugehörig, noch kein „Vollendeter“. Dennoch sind seine Ansätze nicht uninteressant. Wie Müller bezieht auch Schütz seine Stoffe vorwiegend aus der Antike, um sie in Parabeln auf heutige menschliche Probleme umzuwandeln.

In seinen „Amazonen“ beschäftigt ihn in erster Linie der Glücksanspruch, die Sehnsucht nach Liebe, die im „modernen Sinn nur Luxus bedeutet“ und im Falle ihrer Verwirklichung mit dem Tode bezahlt werden muß. Hiezu greift Schütz die Uberlieferung von Theseus und der Amazonenkönigin Antiope auf, die, obwohl sich ihre Völker im Krieg gegenüberstehen, alle Unebenheiten für ihre Liebe überwinden wollen, jedoch zwangsläufig scheitern. Denn: bedeutet der Amazonenkönigin die Liebe mehr als ihr Volk und muß sie deshalb sterben, bleibt Theseus „siegreich“. Für ihn ist Liebe durch Macht ersetzbar - der Staat bleibt innerhalb der Männergesellschaft in seinen Fugen, Phädra, die Theseus aus Staatsraison heiratet, nur ein Gespenst am Rande.

Schütz möchte gegen den männlichen Herrschaftsanspruch aufbegehren - gleitet aber allzuoft über das Ziel hinaus. Seine zeitweilig bestechend schöne Sprache wirkt unversehens banal, die oft episch langen Berichte manchmal zu gedehnt. Inszenierung hätte viel straffen müssen, um manch dünne Passage und Ungereimtheit zu überspielen. Dennoch gelingen ihr mit dem Ostberliner Maler Alwin Eckert (Ausstattung) auf der griechisch abstrahierten Bühne eine Reihe durchaus beklemmender Szenen. Starre Masken betonen auf der Seite der Athener die unpersönliche Macht, wogegen Uta Birnbaum die Amazonen von vornherein als wenig überzeugend und hektisch darstellt. Es wird sich in Heidelberg, wo das Stück bereits zum Nachspielen angenommen ist, zeigen, ob eine andere Transponierung ihm besser bekommt.

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