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Leben und Sterben zweiter Klasse

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Ein Experte der Spitalsfinanzierung rechnete uns vergangene Woche in der „ZIB 2” vor, daß die letzten sechs Monate im Leben eines Patienten -statistisch gesehen - zu den teuersten seines Lebens gehören. Ja eigentlich genauso viel kosten wie sein ganzes Leben zuvor. Die alten Patienten kommen uns also ganz schön teuer.

Da wundert es nicht, daß in Zeiten horrender Spitalsdefizite auch hier der Rotstift angesetzt werden soll. Gespart werden muß, ist doch logisch. Warum auch nicht bei den Alten? Bei Patienten über 75 lohnt es sich doch wirklich nicht mehr, teure Implantate einzusetzen.wenn's auch eine billigere, wenn auch nicht ganz so gute, Version tut. Und es genügt doch auch, wie bereits in einigen Ländern üblich, eine Art „Beruhigungsmedizin”, die die letzten Lebenstage ohne großen Aufwand halbwegs erträglich gestalten.

So weit, so schlecht. Wie kommen eigentlich die Spitalssanierer dazu, einen derart groben Raster anzulegen und diesen so mir nix, dir nix zu präsentieren? Wie jede Statistik hat uns auch diese ein grob verzerrtes Bild der Wirklichkeit präsentiert. Was sagt sie denn aus? Sagt sie uns etwas über das Leben eines dieser älteren Patienten? Hat er nicht vielleicht ein Leberl lang kaum ärztliche Hilfe in Anspruch genommen? Sich nicht in teure Kuranstalten gelegt, nicht bei jedem Wehwe-chen den Arzt aufgesucht, Pillen geschluckt und so weiter...

Wer jünger ist und es sich leisten kann, kann heutzutage rechtzeitig Vorsorgen. Die Versicherungswirtschaft ist längst zur Stelle mit allerlei Angeboten. Damit wir ohne Angst alt werden können. Alle anderen können nur hoffen, folgt man der Logik der Sanierer und Statistiker, am Ende ihres Lebens nicht auch noch auf das medizinische Abstellgleis geschoben zu werden und auf einen Tod zweiter Klasse zu warten.

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