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Nur Malerfurst ?

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Das Haus, das sich der Malerfürst Franz von Lenbach vor hundert Jahren in München bauen ließ und das er zum Museimi vor allem seiner eigenen Arbeiten bestimmt hatte, steht an prominenter Stelle nahe den einst königlichen Repräsentationsbauten. Die „Städtische Galerie im Lenbach-haus" hat unterdessen auch andere Künstler, vor allem die des ,31auen Reiter", aufgenommen. Aber zum 150. Geburtstag des einstigen Maurergesellen aus dem bayerischen Schrobenhausen mußte man doch auch ihn selbst einmal würdigen. Man tat es mit spürbarer Beklommenheit, die allzu kritische, halbherzige Präsentation, die bis 3. Mai zu sehen ist, wirkt irritierend. Man weiß, daß Lenbach ein typischer Mensch seiner Zeit war, nimmt es ihm aber offenbar übel.

Lenbachs in jungen Jahren gemalter ,3irtenknabe" ist in unzähligen Reproduktionen verbreitet. Auch andere Frühwerke, Darstellungen seiner ländlichen Umgebung, finden große Anerkennung. Lenbach hat sich seine künstlerische Karriere hart erkämpft, nicht so sehr aus Geldnot, sondern weil er das väterliche Maurer-Geschäft weiterführen sollte und sich erst nach dem Tode des Vaters davon freimachen kormte.

Er entdeckte auf Studienreisen, vor allem in Italien, die alten Meister und kopierte sie mit Fleiß imd gutem Gelingen. Das war damals üblich, es kam auch dem Zeitgeist des Historismus entgegen. Wie Hans Makart lernte er bei Karl von Piloty in München, kopierte für den großen Sammler Adolf Friedrich von Schack, lehrte zwischendurch an der Kunstschule in Weimar, kopierte im Prado in Madrid, malte südspanische Landschaften und erkannte um 1870 seinen Weg als Porträtmaler.

In München und in Wien, wo er nun alljährlich einige Monate verbrachte, fand er seine Modelle und Auftraggeber, schloß Freundschaft mit Makart (mit dem er 1875 eine Ägyptenreise unternahm), hielt sich ab 1872 auch wiederholt in BerUn auf. Bei der Wiener Weltausstellung von 1873 stellte er Porträts der Kaiser Franz Joseph und Wilhelm I. aus. Er lernte 1878 in Badgastein auch Bismarck kennen, den er bald darauf in Friedrichsruh besuchte.

Was unterscheidet Lenbach von

Makart? Zunächst wohl die längere Lebenszeit. Vier Jahre älter als Makart, überlebte er ihn um zwanzig Jahre. Das ist wichtig, weil in Lenbachs späten Jahren schon andere Kunstströmimgen heraufzogen. Makart starb auf dem Höhepunkt seines Ruhmes. Er hatte nicht nur in großformatigen Gemälden alte Zeiten beschworen, sondern auch seine Gegenwart, seine Umwelt verkleidet: Kostüme, ganze Festzüge, Mode und Wohnkultur. Als er 1884 gestorben war, ging aH dies zu Ende.

Man hat beiden - Makart und Lenbach - immer wieder ihre niedere Herkunft vorgehalten und meinte, hier präsentierten sich Kleinbürger als Edelmänner. Man hat gehöhnt, daß sie sich der herrschenden Gesellschaft angepaßt und dienstbar gemacht haben, und man hat dabei übersehen, daß beide diese Gesellschaft, von der sie lebten, auch prägten und nach ihrer Pfeife tanzen ließen. Unsere Vorstellung von Kaiser Wilhelm I., von Bismarck und vielen anderen Größen der Zeit ist geprägt von Lenbachs Porträts und nicht von den Fotos, die es damals ja auch schon gab (und die sich Lenbach in späteren Jahren durchaus zunutze machte).

Lenbach wurde geadelt, er hat zweimal in die Aristokratie eingeheiratet. Er hat die Lust der Zeit an Repräsentation, Kostüm und Faltenwurf geteilt und befriedigt, auch als Fest-Arrangeur. Durch Talent und Fleiß ist er in die tonangebende Gesellschaft aufgestiegen, hat sie abgebildet und ihre Umwelt mitgestaltet, wie es heute etwa Ernst Fuchs oder Friedensreich Hundertwasser tun.

Lenbach war kein verkanntes Genie, war nicht seiner Zeit voraus, sondern mit ihr im Gleichklang. Er hat gut verdient, kormte sich ein fürstliches Leben leisten, und er hat dabei eine große Menge von Bildern gemalt, die heute in alle Welt verstreut und vielfach umstritten sind, die man aber aus der Kunstgeschichte nicht eliminieren kann.

Warum sollte man auch? Und warum sollte man ihm ewig nachtragen, daß er nicht verhungert ist?

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